Neue Technologie für Diagnose von Krebszellen

Hellrot oder doch eher orange? Die Rottöne dieser Gewebeprobe unter dem Mikroskop zeigen Krebszellen, die an ihrer Oberfläche ein Merkmal haben, das nur bestimmte Medikamenten erkennen und angreifen (gelb ist gesundes Gewebe, blau sind Zellkerne). Eine Software kann solche Aufnahmen exakter beurteilen als das menschliche Auge
Wissenschaftler haben ein neues System entwickelt, das die Charakterisierung von Tumoren vereinfachen könnte.

Diese Entwicklung bedeutet einen riesigen Fortschritt für die Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen“: Das sagt der Krebsforscher Univ.-Prof. Lukas Kenner: Wissenschaftler der Vetmeduni Wien, der MedUni Wien und des Ludwig Boltzmann Instituts für Krebsforschung haben mit dem Unternehmen „TissueGnostics“ ein Verfahren zur automatischen Charakterisierung von Tumorgewebe entwickelt und in der renommierten Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht. Dieses ist genauer und objektiver als das Auge des Pathologen.

Neue Technologie für Diagnose von Krebszellen

KURIER: Was sieht ein Pathologe unter dem Mikroskop?
Lukas Kenner: Der Pathologe bestimmt anhand von Gewebeproben heute nicht nur, um welche Krebsart es sich handelt. Wir haben immer mehr zielgerichtete Medikamente, die nur dann wirken, wenn der Tumor gewisse Eigenschaften aufweist. Wenn also zum Beispiel ein ganz bestimmtes Krebsgen aktiv ist das dazu führt, dass an der Oberfläche der Zellen ein spezielles Eiweiß gebildet wird. Nur manche Wirkstoffe erkennen es und können so den Tumor bekämpfen. Aber die Diagnose dieser Eiweiße ist nicht einfach.

Wieso?
Der Pathologe erkennt diese Proteine mithilfe von Antikörpern, die mit einem Farbstoff gekoppelt sind. Je mehr von einem speziellen Eiweiß vorhanden ist, umso mehr Antikörper docken an, umso stärker die Farbreaktion. Allerdings ist die Einschätzung der Farbintensität sehr subjektiv. Zwei Pathologen, die unabhängig solche gefärbten Gewebeproben begutachten, kommen nur bei jeder dritten Probe zum selben Ergebnis. Wir waren sehr überrascht, wie sehr die Urteile bei einer rein optischen Beurteilung auseinandergingen. Es gab Fälle, wo ein Pathologe meinte, ein spezielles Eiweiß sei nicht vorhanden, ein anderer hingegen, es sei doch da.

Woran liegt das?
Unsere Pathologen sind hervorragend, aber die Interpretation von solchen Färbungen ist manchmal sehr schwierig. Das menschliche Auge ist einfach sehr subjektiv: Wo das eine orange sieht sieht das andere hellrot. Die Färbungen sind oft sehr unterschiedlich, und hinzu kommen natürlich Faktoren wie Stress, Überlastung, etc. Mit einer von uns neu entwickelten Software können wir jetzt diese Unterschiede im Urteil einzelner Ärzte ausschalten.

Wie werden davon die Patienten profitieren?
Mit der neuen Technik kann viel besser als bisher garantiert werden, dass all jene Patienten, gegen deren Tumor ein bestimmtes Medikament wirkt, dieses auch wirklich bekommen – und nicht durch eine falsche Diagnose ein Patient übergangen wird. Gleichzeitig kann ausgeschlossen werden, dass durch eine falsche Diagnose jemand mit einem Präparat behandelt wird, das bei seinem Tumor gar nicht wirkt. Die Zielgenauigkeit wird also größer werden. Das wird die Therapieerfolge erhöhen.

Werden die Pathologen dadurch „überflüssig“?
Überhaupt nicht. Der Labormediziner ist auch nicht überflüssig, nur weil die Befundwerte automatisiert erstellt werden. In Zukunft wird es immer mehr zielgerichtet wirksame Medikamente geben, die nur bei ganz bestimmten Tumoreigenschaften eingesetzt werden können. Die Pathologen werden ohne Unterstützung durch ein automatisiertes System mit der Diagnostik überfordert sein.

Ist diese neue Technologie schon verfügbar?
Ja, wir haben sie bisher nur in der Forschung eingesetzt, aber durch unsere enge Kooperation mit einem Start-up-Unternehmen ist das System marktreif.
Werden sich Spitäler diese neue Technologie leisten können?
Das Spezialmikroskop mit der Software kostet 120.000 Euro. Eine personalisierte Therapie mit zielgerichteten Medikamenten zum Beispiel gegen Brustkrebs kann pro Jahr 100.000 Euro kosten. Wenn also mit präziserer Diagnostik erreicht wird, dass nur ein Patient eine teure Therapie nicht erhält, die bei ihm überhaupt nicht wirkt, sind die Kosten bereits hereingespielt.

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