Nervenstimulation: Wenn das Gehirn nicht immer zuhört

Nervenstimulation: Wenn das Gehirn nicht immer zuhört
Passt man Nervenstimulationen auf den Herzschlag und die Atmung an, stellen sich größere Erfolge ein.

Medikamente sind nicht immer die Lösung. Manche Gesundheitsprobleme, von chronischen Schmerzen und Entzündungen bis hin zu neurologischen Erkrankungen, lassen sich auch durch Nervenstimulation behandeln.  Als „elektrische Pille“ wird diese Methode bezeichnet. In den 90er-Jahren fanden die ersten Anwendungen dazu statt, etwa mit Hilfe von Elektroden, die im Halsbereich befestigt wurden und den Vagusnerv aktivierten. Der Mechanismus dahinter: Das Gehirn steuert zahlreiche Funktionen in unserem Körper – zum Beispiel die Regulierung des Blutdrucks. Bei chronischen Erkrankungen kann diese Steuerung aus dem Gleichgewicht geraten. So ist der Blutdruck hoch und das Gehirn sendet keine Signale mehr aus, um ihn wieder zu senken. Genau hier kann die Nervenstimulation helfen. Man regt damit das Gehirn an, das Richtige zu tun. 

Herzschlag & Atmung

Doch nicht immer funktioniert diese Vagusnerv-Stimulation so wie man das möchte. „Nicht zu jedem Zeitpunkt hat eine elektrische Stimulation einen Effekt auf das Nervensystem. Man könnte sagen: Das Gehirn hört nicht immer zu. Es ist, als gäbe es ein Tor in die Schaltzentrale des Nervensystems, das manchmal offen und dann wieder geschlossen ist, und das kann sich innerhalb von weniger als einer Sekunde ändern“, sagt Prof. Eugenijus Kaniusas vom Institut für Biomedizinische Elektronik der TU Wien.  Genau diesem Thema und anderen Fragen widmete sich eine Studie, die von der TU Wien in Kooperation mit der Wiener Privatklinik durchgeführt wurde. Experimente zeigen, dass die Wirkung dann sehr gut ist, wenn man die elektrische Stimulation auf die natürlichen Rhythmen des Körpers abstimmt – auf den aktuellen Herzschlag und die Atmung.
PilotstudieIn einer Pilotstudie wurden  fünf Personen untersucht. Ihr Vagusnerv wurde elektrisch aktiviert, um die Herzfrequenz zu senken. Aus vergangenen Studien weiß man, dass die Herzfrequenz ein möglicher Indikator dafür ist, ob die Stimulationstherapie nützt oder nicht. Dabei zeigte sich, dass der zeitliche Zusammenhang der Stimulation mit dem Herzschlag eine entscheidende Rolle spielt. Stimuliert man den Vagusnerv in einem Rhythmus, der nicht auf den Herzschlag abgestimmt ist, lässt sich kaum eine Wirkung feststellen. Setzt man allerdings die Stimulationssignale immer dann, wenn das Herz gerade kontrahiert (während der Systole), ist eine starke Wirkung feststellbar – viel stärker als bei Stimulation in der Entspannungsphase des Herzens, der Diastole.
 

Behandlungserfolge

Auch die Atmung ist in diesem Zusammenhang wichtig: Während der Einatmungsphase war die Stimulation deutlich wirkungsvoller als während der Ausatmungsphase. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Synchronisierung der Vagusnerv-Stimulation mit dem Herz- und Atemrhythmus die Effektivität deutlich steigert. Das könnte helfen, die Behandlungserfolge bei chronischen Erkrankungen zu verbessern – ganz besonders bei jenen, die zuvor aus bis jetzt unerklärbaren Gründen auf die Therapie nicht angesprochen haben“, sagt Prof. Eugenijus Kaniusas. Nun soll in einer größer angelegten Studie mit erkrankten Menschen weiter daran geforscht werden. „Diese Technologie könnte eine effektive und nicht-invasive Möglichkeit sein, um das autonome Nervensystem gezielt und schonend zu modulieren“, glaubt Dr. Joszef Constantin Szeles von der Wiener Privatklinik. 

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