Wie Medizinstudenten lernen, mit Patienten umzugehen
Ein schönes Modell haben Sie", sagt Julia Halilovic. "Das ist mein Mercedes", lacht Bibiana Fichtinger und zeigt auf den Rollator. Sie möchte mit ihren Besucherinnen Domino spielen. Die beiden Medizinstudentinnen Halilovic und Eva Wallner helfen der 75-Jährigen beim Aufstehen, gemeinsam gehen sie in den Aufenthaltsraum, legen die Steine auf. "Ich bin dran, ich hab aber nix. Jetzt muss ich einen Stein beim Greißler kaufen", scherzt Fichtinger. Die drei lachen.
Mittlerweile ist es fast ein Jahr her, dass die beiden Zwanzigjährigen im Haus der Barmherzigkeit in der Wiener Seeböckgasse das Praktikum "Soziale Kompetenz" absolviert haben, heute sind sie wieder zu Besuch. Für Frau Fichtinger eine schöne Abwechslung: "Nicht alle Mitbewohner unterhalten sich oder spielen gerne. Ich freu’ mich, wenn jemand vorbeikommt und ein Lächeln für mich hat."
Sensibilisieren
Zum Einstieg werden die Studenten erst einmal selbst "alt": Sie tragen im Seminar mit Watte gefüllte Handschuhe, Brillen, die das Sehen erschweren sowie Kopfhörer und bekommen kleine Aufgaben gestellt. "Man denkt immer, das geht schon. Aber es ist wirklich schwierig, sich im Alter alleine durchzukämpfen", erzählt Wallner. Auch im Alltag mit den Bewohnern stießen die Studentinnen auf schwierige Situationen, etwa als der Rollstuhl einer Bewohnerin auf der Straße zu schwer war, um ihn auf den Gehsteig zu heben. "Alle haben gehupt, die Dame im Rollstuhl wurde nervös. Ich habe versucht, sie zu beruhigen und jemanden um Hilfe gebeten. Das war sehr prägend", erzählt Halilovic. Wallner wusste bei einem Gespräch mit einer älteren Dame nicht mehr weiter. "Sie war sehr traurig und ich war unsicher, ob ich ihr zustimmen oder widersprechen soll. Ich habe ihr zugehört und intuitiv geantwortet. Das hat mir geholfen, selbstsicherer und lockerer im Gespräch mit älteren Menschen zu sein."
Aus dem Bauch
Bei den beiden Studentinnen hat das Seminar diese Spuren hinterlassen, auf den geriatrischen Bereich wollen sie sich aber nicht festlegen. Frau Fichtinger macht das nichts, sie freut sich, wenn Besuch kommt. Oder eine Postkarte wie von einem der Studenten, der auf ihrer Station eingeteilt war. Oder wenn zwei Studentinnen mit ihr Domino spielen, auch wenn der KURIER-Fotograf längst gegangen ist.
3600 Studierende haben in fünf Jahren am Programm teilgenommen
16 Stunden verbringen sie an fünf Tagen im Haus der Barmherzigkeit in Wien
2-3 Personen kommen jeweils auf die Stationen und in die Wohngemeinschaften
1300 Menschen leben in Wien und NÖ in den Häusern der „Haus der Barmherzigkeit“-Gruppe
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