Mikroplastik: Mülleimer Meer
Gunnar Gerdts ist dem Plastik seit Jahren auf der Spur. Einmal im Jahr sind er und seine Kollegen auf hoher See. Im Schlepptau haben sie einen Katamaran, der ein feinmaschiges Netz mitzieht. Was darin hängen bleibt, landet unter Gerdts Mikroskop. Winzige Plastikteilchen aus Polypropylen, Polyethylen oder einer Mischung mehrerer Kunststoffe, manche kleiner als Sandkörner, fürs Auge kaum sichtbar. Das meiste davon stammt nicht von Partikeln aus Kosmetika, Zahnpasta oder Reifenabrieb (primäres Mikroplastik), sondern von großen Kunststoffteilen, Plastikflaschen oder Folien. "Durch Wellen und Wind wird es bröckelig, zerfällt und im Laufe der Jahre entsteht daraus sekundäres Mikroplastik", sagt Gerdts im KURIER-Gespräch. Zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastikabfall gelangen jährlich vom Land ins Meer.
"Wir wissen aber noch nicht genau, wie das Plastik auf Menschen einwirkt", sagt der Experte. Gleichzeitig ist er aber überzeugt, dass es dort eine Auswirkung haben kann, wo es dicht mit dem Organismus zusammenkommt. Demnächst untersuchen er und seine Kollegen, ob die Kunststoffe in den Därmen von Fischen auch ins Gewebe übergehen. Bisherige Versuche, bei denen Miesmuscheln mit winzigen Plastikpartikel kontaminiert werden, die Entzündungen auslösten, hält er nicht für aussagekräftig genug. Denn die Tiere stehen ohnehin unter Stress oder sind mit Schadstoffen besetzt – es ist schwer nachzuweisen, welchen Einfluss die Partikel alleine haben.
Abfall in der Arktis
Aussagekräftiger waren für ihn die neuesten Entdeckungen in der Arktis. Sie haben selbst den über 1,90 Meter großen Norddeutschen erschüttert. In einem Gebiet zwischen Grönland und Spitzbergen fanden sie im Eis über eine Million Partikel pro Kubikmeter. "Diese Konzentration haben wir selbst in Klärwerksabläufen niemals gefunden, dort liegt sie bei 1000 Partikel pro Kubikmeter." Die hohe Menge an Plastik entstand vermutlich durch Meeresströmungen, die einen Teil des weltweit anfallenden Mülls in die Arktis verfrachtet. Forscher berichten auch von einer weiteren Plastikinsel in der Barentssee. Dem Experten bereitet der an der Oberfläche schwimmende Müll Sorgen, vor allem aber die Partikel im Eis: "Durch Klimawandel und schmelzende Polkappen werden diese Stoffe frei und kommen retour zum Verursacher."
Am effektivsten sind bisher lokale Maßnahmen wie aktives Müllsammeln. "Der Konsument ist gefragt und muss sich als Teil des Problems begreifen. In den meisten Köpfen ist das schon angekommen." Lange war dies nicht der Fall. "Das ist eine Hypothek, die wir in den nächsten Jahren noch mitschleppen werden."
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