Wie eine afrikanische Heilpflanze bei Multipler Sklerose helfen könnte
Multiple Sklerose bereits in einer sehr frühen Phase stoppen - oder zumindest deutlich verlangsamen: Eine Entdeckung von Wissenschaftern der MedUni Wien könnte diese Hoffnung in einigen Jahren möglicherweise Realität werden lassen. Sie fanden in einer afrikanischen Heilpflanze ein kleines Eiweißmolekül, das in Mäusen die Symptome von Multipler Sklerose stark reduzieren konnte. "Es schaut sehr gut aus, aber bis zur ersten Studie an Menschen ist es noch ein langer Weg", so Ass.-Prof. Christian W. Gruber von der MedUni Wien zum KURIER.
Lange Tradition
Die Pflanze Oldenlandia affinis - in afrikanischen Stämmen "kalata-kalata" genannt - hat in Teilen Afrikas eine lange Tradition als Heilpflanze. So wird ihr Tee zum Beispiel zur Geburtseinleitung eingesetzt.
Seit vier Jahren entschlüsselt Gruber - Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Physiologie und Pharmakologie - mit seinem Team, einer weiteren MedUniWien-Gruppe um Gernot Schabbauer und internationalen Partnern die Inhaltsstoffe dieser Pflanze. "Wir haben die Pflanze analytisch untersucht." Dabei fanden sie unter anderem heraus, dass das Eiweißmolekül kalata B1 eine bremsende Wirkung auf Zellen des Immunsystems hat. Gerade bei Multipler Sklerose ist das Immunsystem aber überaktiv und richtet sich gegen körpereigene Strukturen (siehe unten).
Keine Schübe mehr
Die Wissenschafter haben dieses Eiweißmolekül im Labor synthetisch nachgebaut und es Mäusen verabreicht. Gruber: "Die einmalige Gabe des Wirkstoffs hat die Symptome stark verbessert. Es kam zu keinen Schüben der Erkrankung. Das könnte ihren Verlauf deutlich verlangsamen."
Viele der derzeitigen MS-Therapien müssen intravenös verabreicht werden - eine orale Einnahme als Tablette wäre ein großer Vorteil.
In den kommenden beiden Jahren sind weitere Untersuchungen zur Toxikologie (Verträglichkeit) und Pharmakologie (genaue Wirkungsweise im Körper) der Substanz geplant. Eine erste klinische Studie (Phase 1) mit Probanden könnte 2018 starten.
Auch in heimischen Veilchen?
Das Eiweißmolekül kalata B1 gehört zu den sogenannten Cyclotiden. Diese Naturstoffe können aus allen bedeutenden Pflanzenfamilien isoliert werden, unter anderem auch vielen heimischen Veilchengewächsen. Gruber und sein Team wollen jetzt untersuchen, ob sie auch in diesen Gewächsen Peptide mit einer ähnlichen Wirkung wie jenes aus der afrikanischen Pflanze finden.
Die Studie ist im Top-Journal PNAS erschienen.
MS: Abwehrzellen greifen an
MS ist die häufigste Erkrankung des zentralen Nervensystems bei jungen Erwachsenen. Es handelt sich um eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung. Die Fortsätze der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark sind mit einer Isolierschicht (Myelin) umgeben. Bei multipler Sklerose greifen körpereigene Abwehrzellen fälschlicherweise diese Isolierschicht an. Die Übertragung der elektrischen Nervensignale wird verlangsamt bzw. blockiert.
Weltweit sind laut Schätzungen rund 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen, rund 8000 sind es in Österreich.
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