Wenn es in der Kapuze kracht

Wenn es in der Kapuze kracht
Nach Silvester gibt es mehrere Hundert behandlungsbedürftige Fälle von Knalltrauma, sagt ein Mediziner.

Der Klassiker ist die Kapuze des Anorak“, sagt Prim. Prof. Hans Edmund Eckel, Leiter der HNO-Abteilung im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee, Kärnten. „Wenn sich da ein Böller verhängt und nicht weggeschleudert wird – was immer wieder passiert – kann der Knall zu einem dauerhaften Gehörschaden führen.“

Auf praktisch jede HNO-Abteilung in Österreich kommen in den ersten Jännertagen mehrere Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 30 – vorwiegend männlich –, die einen akuten Lärmschaden des Innenohrs oder im schlimmsten Fall sogar eine Verletzung des Trommelfells erlitten haben, sagt der Arzt. „Von den Jugendlichen wird das Risiko unterschätzt.“

Behandlungsbedürftig

Exakte Zahlen sind nicht verfügbar, aber die Schätzung, dass es „jedes Jahr einige Hundert Patienten mit einem behandlungsbedürftigen Knalltrauma“ gibt, sei „sehr realistisch“. Ein akuter Hörverlust (Gefühl eines verstopften Ohres) und ein hochfrequentes Ohrgeräusch (Tinnitus) sind die häufigsten Symptome. „Geht der Schalldruckpegel über 160 dB hinaus, kann es auch zu einer Trommelfellzerreißung kommen“, so der HNO-Arzt.

Insgesamt gebe es wahrscheinlich jährlich sogar einige Tausend Knalltraumen – „aber zum Glück ist die Selbstheilungsrate recht hoch. Am Morgen danach sind die Beschwerden häufig verschwunden, weil sich der Körper selbst geholfen hat.“

Wenn dies nicht der Fall ist, habe sich eine hochdosierte Kortisontherapie über drei bis fünf Tage als wirksam erwiesen – je nach Schwere der Symptome mit Tabletten oder Infusionen. „Die Therapie sollte innerhalb von 48 Stunden beginnen, dann wirkt sie am besten.“

Zellstress

Der Schalldruck kann die Haarzellen im Innenohr schädigen. Die Haarzellen wandeln die Schallschwingungen in elektrische Signale um, über den Hörnerv werden sie zu den Hörarealen im Hirn weitergeleitet. „Der Knall verursacht für die Zellen einen oxidativen Stress, ihr Zellstoffwechsel wird gestört“, sagt Eckel. Im günstigsten Fall erholen sie sich, im schlimmsten bleiben dauerhaft ein Hörverlust und/oder ein Ohrgeräusch zurück.

Kommt Schwindel als Symptom hinzu, ist das ein Hinweis darauf, dass möglicherweise auch das „Gleichgewichtsorgan“ im Innenohr geschädigt ist: „In diesem Fall sollte man sofort ein Spital aufsuchen.“

Zum Glück sei die Lärmeinwirkung durch die Kracher nur sehr kurz, weshalb echte Ertaubungen selten vorkommen, betont der Experte: „Aber von leichten bis höhergradigen Hörstörungen ist alles möglich.“ Denn die Haarzellen seien extrem empfindlich: „Wenn sie einen Menschen ohne Gehörschutz nur für ein paar Stunden direkt neben startende Düsenflugzeuge stellen, ist er taub – und bleibt es auch.“

Eigentlich ist der Verkauf solcher „Knallkörper mit Blitzknallsatz“ – vulgo „Piraten“ oder „Schweizer Kracher“ – seit Juli 2013 verboten. Allerdings dürfen sie noch bis Juli 2017 verwendet werden.

Hörgeräte und Gehörschutzfirmen raten zum Tragen eines speziellen Gehörschutzes, der in Fachgeschäften erhältlich ist. Dazu Eckel: „Medizinisch gesehen ist das auf jeden Fall sinnvoll. Aber wer tut das schon in der Silvesternacht?“

Weitere Infos: www.laermmachtkrank.at

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