Welcher Typ ist Ihr Arzt?

Welcher Typ ist Ihr Arzt?
Ein Primararzt erklärt, worauf es im Dialog zwischen Medizinern und Patienten ankommt.

Warum sind Patienten beim Arzt oft unsicher? Und warum handeln Medizinerinnen und Mediziner so, wie sie es eben tun? Prim. Peter Lechleitner (57), Leiter der internen Abteilung im Krankenhaus Lienz, beschäftigt sich seit 30 Jahren mit diesen Fragen. Im KURIER-Gespräch erklärt er, warum der mündige Patient so wichtig im Gesundheitswesen ist.

Welcher Typ ist Ihr Arzt?
Prim. Peter Lechleitner, KH Lienz. honorarfrei print und online
KURIER: Soll man sich von der modernen Medizin fernhalten?

Peter Lechleitner: Nein. Vieles, das früher unheilbar war, ist heute machbar. Aber es geht um Vertrauen und Glaubwürdigkeit – und um gerechte Mittelverteilung. Wir haben in Zukunft mit Kostensteigerungen bei den Krebsmedikamenten zu rechnen, zuletzt jährlich um ca. 50 Prozent. Da müssen wir uns überlegen, wie wir diese Mittel verteilen, dass so viele wie möglich davon profitieren. Ich bin zwar skeptisch, will aber auch Verständnis wecken und den Patienten sagen: so funktioniert unser System und darum handeln wir so. Deine Rolle ist aber auch sehr wichtig, bitte nimm sie wahr. Man muss nicht niederknien und alles akzeptieren. Doch ohne Vertrauen und Empathie geht es auch nicht. Uns wird ja angekreidet: Wir kennen uns immer besser mit jedem Gewebsdetail aus, aber wir reden nicht mehr mit den Menschen. Wenn uns das gelingt, dann können wir das Beste für die Patienten herausholen. Aber ohne Übermedizin.

Was meinen Sie damit?

Zum Teil herrscht ein allgemeiner Machbarkeitsglaube. Dadurch entstehen oft von Patientenseite Forderungen für maximale Diagnostik und die Ansprüche werden sehr hoch. Die Patienten sind dann enttäuscht, wenn man diese nicht halten kann. Ein weiterer Grund für Übermedizin ist Absicherung, etwa in rechtlicher Hinsicht. Da versucht man als Arzt, lieber zu viel zu tun als zu wenig. Ein Beispiel: Zweithäufigster Grund für Arztbesuche sind Rückenschmerzen. Die Forderung nach dem CT kommt vom Patienten sehr rasch, vielleicht auch vom Arzt. Zurückhaltung ist uns da verloren gegangen. Zu viel Diagnostik kann auch Nebenwirkungen haben. Das erfordert natürlich auch Erklärungen, die Ärzte oft nicht geben.

Dabei wird doch personalisierte Medizin forciert.

Ja, davon reden wir vor allem in der Krebstherapie. Aber das stimmt nur zum Teil. Der Tumor wird zwar genau analysiert und die Therapie darauf abgestimmt. Aber der Patient ist auch ein Individuum. Der Krebs-Gewebstyp mag derselbe sein. Dahinter steht immer ein Mensch mit anderen Gefühlen.

Kann der Hausarzt besser auf seine Patienten eingehen?

Er müsste in seiner Bedeutung gestärkt werden. Wir sind in vielen Bereichen eine Spezialistenmedizin geworden. Das ist sehr wichtig, auch ich möchte von kompetenten Kollegen operiert werden. Es braucht aber auch einen Koordinator. Der Hausarzt könnte das besser gestalten, auch im Wissen um die Person und Familienstruktur.

Wie erkenne ich Kompetenz?

Es hängt vom Leiden ab. Aber es muss immer eine Art Vertrauensverhältnis da sein. Sie müssen das Gefühl haben, als Mensch wahrgenommen zu werden und den Arzt zu verstehen. Auch die Kompetenz ist wichtig: Welche Ausbildung hat etwa ein Arzt, der Komplementärmedizin (ergänzende Methoden, Anm.) anbietet? Es geht darum, die Seele zu erreichen. Dazu braucht es nicht immer einen Seelendoktor, sondern Fachkompetenz kombiniert mit Einfühlungsvermögen und Vertrauen.

Zur Person
Prim. Peter Lechleitner (Internist, Kardiologe, Notfallmediziner) setzt neben der Schulmedizin auch Akupunktur und Homöopathie erfolgreich ein.

Richtlinien
Ein unüberschaubares Medizinsystem inklusive „Dr. Google“ im Internet verunsichert viele. In seinem neuen Buch gibt er Tipps, sich als Patient in diesem Dschungel zurechtzufinden.

Welcher Typ ist Ihr Arzt?
Buch
Zitiert
– „Nicht jede angebotene medizinische Leistung ist auch sinnvoll.“
– „Der angeblich berühmteste Arzt/Ärztin muss nicht für Sie der/die beste sein.“
– „Fragen Sie Ihren Arzt/Ihre Ärztin nicht, was er/sie empfehlen würde. Fragen Sie lieber: ‚Was würden Sie tun, wenn es Ihre Mutter/Ihr Kind … wäre?‘“
– „Bei geplanten medizinischen Eingriffen nachfragen, ob es wirklich sein muss und auch nach Alternativen fragen.“
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