Was Sie über Gewitter wissen sollten

In Österreich schlagen rund 160.000 Blitze im Jahr ein.
Warum es so schwierig ist, Gewitter vorherzusagen.

Die einen nennen es Sorgenkind. Die anderen Königsdisziplin. Einig sind Meteorologen darin, dass Gewitter zu den launischsten und am schwierigsten vorherzusagenden Wetterphänomenen gehören. Und gestehen, dass es keine Möglichkeit gibt, sie länger als vielleicht ein paar Stunden im Voraus zu prognostizieren. Da zeichnen sich die Gewitterzellen schon bedrohlich auf den Radarschirmen der Wetterdienste ab. Das heißt nicht, dass die Experten auch voraussagen können, welchen Weg die dunklen Wolken nehmen werden.

Christoph Wittmann begeisterte sich bereits als Kind für Gewitter: "Ich hatte Angst davor und wollte verstehen, was da passiert", erzählt der Meteorologe und stellt sich der Herausforderung von Blitz und Donner fast täglich. In der Abteilung für Modellentwicklung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) arbeitet er an Vorhersagemodellen. Auch er sagt: "Da sind Prozesse im Spiel, bei denen man derzeit selbst mit den besten Wettermodellen an Grenzen stößt." Der Grund? Vor allem, weil es meist kleinräumig kracht.

Raum & Zeit

Allgemein gelte: Je räumlich größer das meteorologische Ereignis ist, desto früher kann der betroffene Bezirk gewarnt werden. Orkane, die im Herbst über das Land brausen, können oft schon sechs Tage vorher angekündigt werden. Ihre Fronten sind aber auch oft Dutzende Kilometer breit. "Wenn Sie mich aber fragen, wie groß die Chance ist, ein Gewitter in zehn Tagen vorherzusagen, muss ich antworten: Das ist unmöglich! Selbst für den nächsten Tag kann man nur Wahrscheinlichkeiten angeben", sagt Wittmann. "Ein Gewitter auf den Punkt genau vorhersagen, kann man Minuten bis maximal ein, zwei Stunden davor."

Dabei hat Wittmann "Super-Computersysteme, die in der Lage sind, ein Gewitter von Anfang bis zum Ende zu simulieren". Wenn man aber den richtigen Punkt am Anfang nicht erwischt, hilft das beste Modell nichts – Folgefehler entstehen. Man liegt z. B. immer ein paar Kilometer daneben.

Wetterlagen bleiben

Von der ZAMG hört man auch: Die Wetterlage sei "heikel". Das deckt sich mit Untersuchungen des deutschen Klimatologen Stefan Rahmstorf, der herausgefunden haben will, dass durch die globale Erwärmung die Wetterlagen länger anhalten. Heißt: Gewitterlagen bleiben länger stationär als früher. Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif wiederum merkt an, dass die durchschnittliche Temperatur seit 1881 um 1,4 Grad angestiegen ist. Ein Grad Erwärmung erlaube der Luft, sieben Prozent mehr Wasser aufzunehmen. Das sei zusätzlicher Treibstoff für schwere Gewitter. Vielleicht trügt der Eindruck, dass mit unserem Wetter etwas nicht stimmt, also doch nicht.

Das Geschehen in der Lufthülle ist bisher nur über sechs oder sieben Tage zuverlässig vorhersehbar, danach häufen sich auch in den besten Modellen Fehler. Darum arbeiten die Meteorologen an einer Verlängerung der Vorhersagespanne. "Es wird besser", sagt Wittmann. "Vor zehn Jahren konnte man sagen: In Ostösterreich gibt es morgen mit soundso hoher Wahrscheinlichkeit Gewitter. Jetzt: Morgen, Bucklige Welt, früher Nachmittag."

Was Sie über Gewitter wissen sollten

Engmaschiges Gitter

Um diesen Fortschritt zu erreichen, habe man ein engmaschigeres Gitter aufgebaut. Wittmann: "Wir haben zum Beispiel ALARO, das Modell, das mit 5 km Auflösung für die nächsten drei Tage rechnet." Und die Entwicklung von Gewittern modellieren kann. AROME rechnet mit 2,5 km für die nächsten 2,5 Tage und INCA mit 1 km für die nächsten 12 Stunden.

"Mit INCA wird vor allem die Zugbahn bestehender Gewitter errechnet, wodurch eine kurzfristige konkrete Warnung vor Blitzschlag, Starkregen und Sturmböen möglich ist", sagt der Pressesprecher der ZAMG, Thomas Wostal. ICON – mit 13 km Auflösung eindeutig nicht mehr kleinräumig – komplettiert das Vorhersage-Computer-Netzwerk der österreichischen Meteorologen. "In den großräumigen Vorhersage-Modellen können Gewitter zwar nicht erfasst werden, die prinzipielle Anfälligkeit der Luftmasse für Gewitter aber schon", erklärt Wostal.

Gewitter mal zwei

Allerdings: "Je genauer man regional rechnet, desto weniger weit in die Zukunft kann man rechnen." Um das Ganze noch komplizierter zu machen sagt Meteorologe Wittmann: "Gewitter ist nicht Gewitter. Die der vergangenen Zeit sind innerhalb einer einzigen schwülwarmen Luftmasse entstanden. Solche Gewitter sind wesentlich schwerer vorherzusagen als jene, die an Fronten entstehen." Da krachen aber auch riesige Luftmassen ineinander.

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