Warum Schulmedizin alleine zu wenig ist

Schul- und Komplementärmedizin sollen einander ergänzen.
Ein Ganzheitsmediziner will weg von Einzelmethoden, um die optimale Therapie für Patienten zu finden.

Gesundheit erhalten, nicht nur Krankheiten behandeln – diese Sichtweise muss zukünftig eine größere Rolle im Gesundheitssystem spielen, findet Gerhard Hubmann, Ganzheitsmediziner und Präsident der Gamed (Wiener internationale Akademie für Ganzheitsmedizin). Im KURIER-Gespräch erklärt er, warum dafür eine Vernetzung aller im Gesundheitssektor arbeitenden Berufe notwendig ist, wie dies mit hoher Qualität gelingen kann und was es mit dem Begriff der Salutogenese auf sich hat.

KURIER: Warum brauchen wir die Ganzheitsmedizin eigentlich?

Gerhard Hubmann: Als Ganzheitsmediziner war es für mich schon immer eine Selbstverständlichkeit, die Menschen auf dem Weg zur Erkrankung abzuholen, ihnen dabei zu helfen, gar nicht erst krank zu werden. Dabei geht es um eine ganzheitliche Denkweise in Diagnostik und Therapie. In der Salutogenese geht es um die Erhaltung der Gesundheit, sonst kippt unser Gesundheitssystem.

Was muss sich ändern?

Wir brauchen eine Medizin, in der alle Elemente einfließen, etwa aus traditioneller europäischer Medizin, Naturheilkunde, Phytotherapie oder auch Osteopathie. Das gehört alles zusammengeführt, Ganzheitsmedizin sollte auch ein Bestandteil aller medizinischen Berufsgruppen sein. Nehmen wir nur das Beispiel Chronobiologie: Ein Physiotherapeut etwa hat mehr Erfolge, wenn er chronobiologische Grundsätze in seiner Arbeit berücksichtigt. Auch die geplanten Primärversorgungszentren könnten eine Rolle spielen. Dort könnten verschiedene Professionen in einer ganzheitlichen Denkweise beratend zur Verfügung stehen und Ganzheitsmedizin dort einbauen, wo es in ihrem erlernten Berufsbild sinnvoll ist. Natürlich nur in jenem Rahmen, der im jeweiligen Berufsbild erlaubt ist.

Miteinander statt gegeneinander also?

Ja. Vieles, etwa chronische Krankheiten, können wir nicht allein mit der Schulmedizin lösen. Es geht immer um ein Miteinander, für mich gibt es nur eine Medizin. Ich schätze die Schulmedizin sehr, etwa in Diagnostik und Akutversorgung, wenn man sie braucht. Es liegt in der Kunst des Arztes, alles zusammenzuführen. Wir müssen da umfassender denken.

Warum herrscht noch immer ein Schubladendenken?

Es fehlt die Kombination verschiedener Therapiemöglichkeiten, das können viele Ausübende von Einzelmethoden den Patienten oft nicht bieten. Eine Gatekeeper-Funktion wäre daher sehr wichtig, damit die Patienten bei der für sie optimalen Therapie landen. Ich weiß aus 30-jähriger Erfahrung mit mehr als 30.000 Patienten: Viele suchen eine Ergänzung zu konventionellen Therapien. Sie irren von Arzt zu Arzt und landen dann irgendwo, wo Wunder versprochen werden. Diesen unbefriedigenden Zustand gilt es zu verbessern.

Wie kann es gelingen?

Wir Ärzte alleine schaffen es auch nicht, daher brauchen wir alle medizinischen Berufe im Boot, Diplomschwestern genauso wie Physio- und Psychotherapeuten, auch die Pharmazeuten. Alle gemeinsam müssen wir eine Beratungskompetenz aufbauen; eine interdisziplinäre Vernetzung der ganzheitlichen, naturheilkundlichen und komplementären Methoden ist notwendig. Das Ziel muss sein: Wir suchen gemeinsam das Beste für die Patienten.

Von Kneipp bis Ayurveda, von pflanzlichen Heilmitteln bis zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) – die Ganzheitsmedizin ist ein weites Feld. Nicht jede Therapie passt für jeden Patienten – und nicht für alle Anwendungen existieren genügend wissenschaftliche Belege. Dieses Vakuum zu schließen, ist eines der Anliegen des Masterlehrgangs „Ganzheitliche Therapie und Salutogenese“ an der FH Campus Wien.
Lehrgangsleiter Gerhard Hubmann sieht das berufsbegleitende Postgraduate-Studium (vier Semester, 13.000 €) als „Weiterbildung, die sich in bereits Bestehendes einfügen und Perspektiven sowie Beratungskompetenz in den Gesundheitsberufen erweitern soll. Mit dem Master schaffen wir ein Qualitätslevel, das es in dieser Art bisher nicht gab in Österreich“.
Dass nur Studenten mit einschlägiger Grundausbildung zugelassen sind, sei wichtig und sichere die Qualität. „Behandlungen gehören in die Hände von kompetenten Menschen. Wenn eine Therapie nicht richtig eingesetzt wird, hilft sie auch nicht. Das ist in der Ganzheitsmedizin nicht anders als in der Schulmedizin.“
Bei der Auswahl der einzelnen Module orientierte sich das Team an der Erfahrung aus der Ganzheitsmedizin und arbeitet eng mit inter- und nationalen Fachgesellschaften zusammen. „Wir richten uns grundsätzlich nach jenen Methoden, die auch in Form eines Ärztekammer-Diploms in Österreich angeboten werden“, betont Hubmann: „Sie sind fundiert und auch akzeptiert.“ Freilich widme man sich auch umstrittenen Themen wie Homöopathie – im Sinne einer Öffnung und einer wissenschaftsbasierten Diskussion. „Sie wird seit Jahrhunderten angewendet und zählt damit zu den traditionellen medizinischen Methoden.“ Auch die indische Heilslehre Ayurveda ist vertreten. Esoterik oder Energetik sind hingegen keine Themen in diesem Masterlehrgang.

Mehr Info über den Lehrgang finden Sie hier.

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