Warum nicht alle Elektroautos 1600 Kilometer Reichweite haben
Das US-amerikanische Start-up Aptera sucht derzeit Investoren. Es will seine Vision von einem Elektroauto realisieren, das mit einer Akkuladung 1.000 Meilen bzw. 1.600 Kilometer weit kommt.
Mit einer derartigen Leistung wäre einer der größten Schwachpunkte der Elektromobilität eliminiert: die Reichweitenangst. Selbst mit jenen E-Autos, die üppige 100 Kilowattstunden in ihren Akkus haben, kommt man derzeit nicht so weit, wie man es mit Benzin oder Diesel gewohnt ist. Aber warum ist das so?
Widerstände
"Alle Fahrzeuge müssen mit bestimmten Fahrwiderständen umgehen", erklärt Mario Hirz, stellvertretender Leiter des Instituts für Fahrzeugtechnik an der TU Graz. "Die setzen sich zusammen aus Rollwiderstand, aerodynamischem Widerstand, Bremswiderstand und Steigungswiderstand." Jeder dieser Faktoren erfordert den Einsatz von Energie. Bei Elektroautos wird der Bremswiderstand üblicherweise geringer, weil der Motor beim Bremsen Energie rückgewinnen (rekuperieren) kann. Dafür sind ihre Akkus relativ schwer, was den Rollwiderstand erhöht.
Der aerodynamische Widerstand sinkt, weil Kühleröffnungen kleiner werden oder wegfallen. Allerdings gibt es den Trend zu immer größeren Fahrzeugen - auch bei E-Autos. Während sich die Windschlüpfrigkeit (cw-Wert) von Neuwagen stetig verbessert, wächst ihre Frontfläche. In Summe wird der Luftwiderstand immer größer.
"Rein physikalisch macht es keinen Sinn, so etwas zu bauen", meint Hirz. "Aber SUVs sind die beliebteste Fahrzeugklasse. Kunden sind bereit, für diese großen Fahrzeuge mehr zu zahlen und Autohersteller bedienen die Nachfrage." Beispiele, dass auch E-Auto-Hersteller dem Trend folgen, sind etwa das Tesla Model X, der Jaguar I-Pace, der Audi e-tron oder der Mercedes-Benz EQC.
Energiedichte
Noch mehr Akkus in ein Elektroauto zu stecken, würde das Fahrzeuggewicht zusätzlich erhöhen und damit den Rollwiderstand. Ein 100-kWh-Akku eines Tesla Model S wiegt beispielsweise über 500 Kilogramm. Hier kommt das Problem der geringen Energiedichte von Akkus zu tragen, meint Hirz. "In Bezug auf Volumen haben Benzin und Diesel eine höhere Energiedichte - mit weniger Gewicht kommt man daher weiter". Akkus zu vergrößern brächte außerdem das Problem einer noch längeren Ladedauer mit sich - ein weiterer großer Kritikpunkt an Elektrofahrzeugen.
Momentan sieht es also nicht so aus, als ob viele Menschen bereit wären, sich in ein kleines, dreirädriges, flaches Fahrzeug mit so gut wie keinem Raum für Gepäck zu setzen - wie eben jenes von Aptera. Nicht umsonst ist die Firma 2011 schon ein Mal pleite gegangen.
1600 Kilometer mit einer Akkuladung sind für die TU Graz im Übrigen ein Klacks. 2011 erzielte ein Studenten-Team der Uni mit seinem Fahrzeug "Fennek" den Rekord von 842 Kilometer mit nur einer Kilowattstunde. Das entspricht ungefähr dem Stromverbrauch für einen Maschinenwaschgang. Praxistauglich für den Straßenverkehr ist das winzige Gefährt, in dem der Fahrer mehr liegt als sitzt, freilich nicht. Das Auto von Aptera benötigt für 1600 Kilometer 100 Kilowattstunden.
Sinnvolles Schrumpfen
Laut Hirz gibt es aber vielversprechende, komfortable Alternativen: Elektroautos in Kompaktwagengröße. "Die sind absolut ausreichend für den täglichen Bedarf und haben den halben Energieverbrauch." Hirz bringt dazu einen Vergleich: "Ein elektrisch angetriebenes SUV kommt auf einen Stromverbrauch von 25 bis 30 kWh auf 100 Kilometer. Ein E-Golf kommt auf ca. 18 kWh, ein sehr optimiertes Fahrzeug wie der BMW i3 auf 12 bis 15 kWh."
Als besonders positiv hebt Hirz Entwicklungen wie den Sion des deutschen Start-ups Sono Motors hervor. Dabei handelt es sich um einen Elektro-Kompaktwagen mit relativ großem Innenraum, der mit Solarzellen übersät ist und ab 2020 in Schweden in Serienproduktion gehen soll.
"Die Solarzellen sind ein Bonus, aber das gesamte Fahrzeug ist sinnvoll konstruiert." Laut Hirz sei es relativ leicht. Um das zu erreichen, wurden aber dennoch keine teuren Maßnahmen ergriffen. Gerade bei Elektroautos werde oft Leichtbau beschworen. In der Gesamtbetrachtung sei dies aber oft nicht besonders sinnvoll.
Gesamtbetrachtung
"Man muss den gesamten Lebenszyklus von Technologien betrachten. Da fließen die Aufwände in der Produktion, in der Nutzung und im Recycling mit ein", sagt Hirz. Werde für ein Auto etwa eine Aluminium- statt einer Stahlkarosserie verwendet, hätte man bei der Produktion höhere Ressourcenaufwände. Durch die Gewichtsersparnis hätte man im Betrieb aber geringere Kosten.
Ab einer bestimmten Kilometerleistung amortisiere sich dieser Aufwand. "Bei Alu kommt man auf einen Faktor zwei bis drei gegenüber Stahl. Bei Carbon hingegen ist der Produktionsaufwand fünf bis sieben Mal so hoch. Das zahlt sich dann nicht mehr aus."
Wie Hirz kritisiert, wird diese Gesamtbetrachtung vom Gesetzgeber aber kaum berücksichtigt. Was für das Erreichen von Flottenverbrauchszielen zählt, zu welchen die Autohersteller verpflichtet werden, sei die Antriebstechnologie. E-Autos werden als CO2-neutral gesehen. Wieviel Aufwand in Produktion und Recycling fließen und wie der Strom erzeugt wird, sei dem Staat egal.
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