Volle Strahlendosis gegen den Tumor

Bis zu 15 Prozent der Strahlentherapie-Patienten könnten ab 2015 von neuem Verfahren profitieren.

Drei Monate lang haben die Medizinerinnen Univ.-Doz. Ulrike Mock und Univ.-Prof. Ramona Mayer Krankenakten von Strahlentherapie-Patienten durchforstet. Das Ergebnis: 10 bis 15 Prozent all dieser Krebspatienten würden von der Ionentherapie – einer innovativen Form der Strahlentherapie – profitieren. Das wären zwischen 1600 und 2400 jährlich. Diese Zahlen präsentierten die Expertinnen bei einer Enquete zum Thema „Zusammenarbeit in der Ionentherapie“. Sie wurde von dem künftigen Krebstherapie- und -forschungszentrum MedAustron in Wiener Neustadt, NÖ, gemeinsam mit der „Central European Cooperative Oncology Group (CECOG)“ – einem Netzwerk von mehr als 150 Forschungszentren – organisiert.

Weniger Risiko

Die Strahlentherapie mit elektrisch geladenen und beschleunigten Teilchen wird ab Ende 2015 in Wiener Neustadt angeboten. „Diese Teilchen haben ihre höchste biologische Wirksamkeit im Tumor“, sagt die Strahlenmedizinerin Mayer, die auch medizinische Leiterin von MedAustron ist. Die Belastung des gesunden Gewebes davor ist – gegenüber konventioneller Strahlentherapie (Gammastrahlen, Röntgen-, Elektronenstrahlung) – deutlich reduziert, hinter dem Tumor ist fast gar keine Dosis mehr messbar. „Derzeit ist es bei Tumoren etwa in der Nähe des Sehnervs oder bestimmter Hirnnerven oft nicht möglich, die volle notwendige Dosis in den Tumor zu bringen – weil ich sonst den Sehnerv oder Hirnstamm schädigen würde.“

Die neue Form der Strahlentherapie werde sich besonders für bestimmte Tumoren bei Kindern und Jugendlichen eignen, so Mayer. „Ihr Gewebe ist sehr strahlenempfindlich. Durch eine bessere Schonung des gesunden Gewebes kann man das Risiko von Spätfolgen – wie etwa Hormon- oder Wachstumsstörungen – senken.“

„Es handelt sich um ein visionäres Konzept für Patienten aus ganz Zentral- und Südeuropa“, sagt der Onkologe Univ.-Prof. Christoph Zielinski von der MedUni Wien sowie Präsident der Studiengruppe CECOG. „Die Frage für künftige Studien wird sein: Können wir durch eine Kombination verschiedener Behandlungsmöglichkeiten die Effektivität der Therapie noch verbessern?“ Hier gebe es erste Hinweise, dass diese Form der Strahlentherapie – etwa in Kombination mit modernen Antikörper-Präparaten oder Chemotherapie – die Widerstandsfähigkeit (Resistenz) von Tumorzellen gegen Therapien „noch besser durchbrechen“ könne.

Ähnlich Univ.-Doz. Paul Christian Hajek vom Landesklinikum Wiener Neustadt: „MedAustron alleine ist keine Wunderwaffe. Wir setzen große Hoffnungen in die Therapie-Kombination und werden dazu auch Studien durchführen. Die Zusammenarbeit von verschiedenen medizinischen Fachbereichen wird extrem wichtig sein.“ Laut NÖ-Landeshauptmann-Stv. Wolfgang Sobotka werden die Gesamtkosten für MedAustron rund 200 Mio. Euro betragen. Niederösterreich werde mit der MedUni Wien zwei Professuren im Bereich der Strahlenmedizin einrichten: „Wir entwickeln eine Therapie der Zukunft für die Patienten von heute.“

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