Vögel in guter Gesellschaft: So sozial sind Perlhuhn und Rabe

Geierperlhühner verfügen über ein sehr kleines Gehirn.
Auch Tiere mit kleinem Denkorgan sind zu einem komplexen Zusammenleben fähig, schlaue Vögel erst recht.

Hübsch, aber dumm – der Ruf eilt ihnen voraus: Geierperlhühner stolzieren imposant im schillernden Federkleid daher. Wegen ihres verhältnismäßig winzigen Gehirns zählt Acryllium vulturinum aber nicht gerade zu den Intelligenzbestien unter den Vögeln. Wie Damien Farine und Kollegen von der Uni Konstanz nun herausgefunden haben, verfügen die Bodenbewohner Ostafrikas trotzdem über eine herausragende Fähigkeit: Sie leben in mehrschichtigen Gesellschaften – eine Leistung, die bisher nur Schlaumeiern, allen voran Säugetieren, zugeschrieben wurde.

Dumm & sozial

Ursprünglich wollte der Biologe das kollektive Verhalten von Mantelpavianen in Kenia erforschen. Doch dann fielen ihm die Scharen an prächtigen Hühnervögeln auf. Die flugfaulen Tiere werden 61 bis 71 cm groß und bis zu 500 g schwer. Die Nachfahren kleiner Raubdinosaurier ernähren sich von Blüten, Samen, Schnecken und Insekten. Weibchen brüten 4 bis 15 Eier im Jahr aus. Und weil die Hendln einfacher zu händeln waren als Affen, nummerierte Farine 441 gefiederte Exemplare – 97 Prozent des erwachsenen Federviehs im Mpala Forschungszentrum in Laikipia – und steckte 58 Individuen GPS-Sender an. Zwei Mal die Woche drei Jahre lang verfolgte der Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie das Treiben seiner Schützlinge. Und kam zu dem Ergebnis: Geierperlhühner tummeln sich in einem komplexen Sozialsystem. Trotz ihres kleinen Denkorgans finden sich Weibchen und Männchen nicht nur zu Paaren, sie tun sich darüber hinaus zu Cliquen zusammen und treffen sich bevorzugt mit den immer selben Trupps. Das setzt einen Überblick über Individuen sowohl im eigenen Umfeld als auch in anderen Verbänden voraus.

Vögel in guter Gesellschaft: So sozial sind Perlhuhn und Rabe

Geierperlhühner können ausgesprochen große Gruppen bilden.

„Mich hat am meisten beeindruckt, dass diese großen Gruppen an Vögeln über sehr lange Zeiträume stabil bleiben“, sagt der Hauptautor der Studie, die im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht ist. Obwohl unter den Hühnern tags bei der Futtersuche und nachts bei der Quartiersuche ein reger Verkehr herrscht, bildeten die Individualisten immer wieder dieselben 18 Gruppen. Unklar ist noch, woran sich die Vögel erkennen. Offen ist auch, warum sich die Gruppen scharen. „Wahrscheinlich geht es um die Sicherheit. An Wasserstellen und auf Lichtungen verringert sich bei einer großen Zahl an Vögeln das Risiko des Einzelnen, von einem Raubtier oder Adler angegriffen zu werden“, vermutet Farine. Fest steht für ihn: „Geierperlhühner haben unser Verständnis über die Entstehung von Sozialität ins Wanken gebracht.“

Schlau & sozial

Thomas Bugnyar, Verhaltensforscher am Department of Cognitive Biology der Uni Wien, findet vor allem die „Dimensionen, in die es bei den Geierperlhühnern geht, beeindruckend“. Er beschäftigt sich aber lieber mit der Dynamik von Rabenvögeln. Die Corviden sind bekanntlich intellektuelle Überflieger im Tierreich und pflegen ausgefeilte Beziehungen.

„Raben haben im Jahr mit mehreren hundert Artgenossen zu tun. Auch wenn sie nicht alle kennen, wissen sie im engeren Netzwerk ganz genau, wer wer ist“, beschreibt der Biologe die Sozialstruktur. Die Besserwisser verpaaren sich, führen eine monogame Ehe und setzen auch beim Nachwuchs auf Partnerschaft. „Interessant sind die Nicht-Brüter, die jüngeren und älteren Vögel“, sagt der Zoologe. In deren Gangs zählen Freundschaft und Familienbande; Kumpels halten besonders fest zusammen. Ein Futterdieb muss schon sehr aufpassen, dass das Opfer gerade ohne Rückendeckung dasteht; sonst gibt’s „eine auf den Deckel“, sagt Bugnyar: „Das ist kompliziert. Da spielt die Kognition hinein“. Von derartigen Fähigkeiten sind die blinden Hühner Kenias weit entfernt.

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