Affen kuscheln gern mit Freunden
Dass Oxytocin die emotionalen Bindungen beim Menschen beeinflusst, ist schon länger bekannt. Welche Rolle das "Kuschelhormon" beim Sozialverhalten von Schimpansen spielt, haben nun Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig untersucht.
Premiere
Das Team um Catherine Crockford und Roman Wittig nahm 148 Urinproben von 33 Schimpansen aus dem Budongo-Wald in Uganda unter die Forscherlupe. "Dies ist die erste Studie, in der der Oxytocin-Spiegel wild lebender Tiere gemessen wird, ohne dass man ihnen Blut abnehmen musste", erläuterte Wittig.
Und Kollegin Crockford schilderte: "Das ist vielleicht ein nasser Job. Besonders wenn die Schimpansen direkt über uns im Baum sitzen. Wir warten dann bis einer lospinkelt und halten einen langen Stab mit einer Plastiktüte hoch, um den Urin aufzufangen, damit wir ihn danach pipettieren können".
Den Urin gewannen die Forscher nach verschiedenen Situationen: Zum einen 15 bis 60 Minuten nachdem sich die Affen der Fellpflege, auch "Lausen" genannt, gewidmet hatten. Zum anderen prüften sie auch Urin von Tieren, die sich nicht gelaust hatten.
Es zeigte sich, dass der Oxytocin-Spiegel nach der Fellpflege bei jenen Affen besonders hoch war, die intensive soziale Kontakte miteinander pflegen. Und dabei machte es keinen Unterschied, ob sie verwandt waren oder nicht, erklären die Forscher im Wissenschaftsjournal Proceedings of the Royal Society B. Auf der anderen Seite waren die Oxytocin-Werte niedriger bei Affen, die eine Fellpflege vornahmen mit Artgenossen, die ihnen nicht weiter nahe standen - oder bei solchen, die sich gar nicht gelaust hatten.
Beziehung ausschlaggebend
"Es liegt die Vermutung nahe, dass es nicht die soziale Fellpflege ist, die für erhöhte Oxytocin-Werte sorgt, sondern die Beziehung der Tiere", sagte Wittig. Bei den Menschenaffen scheint Oxytocin eine also Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung langfristiger sozialer Bindungen zu spielen - unabhängig von genetischer Verwandtschaft oder sexuellen Interessen.
Oxytocin wird in der Hirnanhangdrüse gebildet und verdankt seinem Ruf als "Kuschelhormon" verschiedenen Studien, die ihm eine vertrauensstiftende Wirkung zuschreiben. Das Hormon wird zum Beispiel während der Geburt ausgeschüttet und beim Stillen, sodass die Mutter-Kind-Bindung gestärkt wird. "Wir vermuten, dass der Bindungsmechanismus, der mit Oxytocin in Verbindung steht, bei den Tieren genauso vorkommt", erklärt Affenforscher Wittig.
Auf den Menschen bezogen kamen Forscher von der Medizinischen Universität Wien (MedUni) unlängst zu ähnlichen Ergebnissen. Auch hier zeigt sich nämlich, dass sich die Effekte von Oxytocin nur beim Kuscheln mit einer vertrauten Person einstellen.
Eine positive Wirkung gebe es nur, wenn sich die Personen gegenseitig vertrauen und wenn die dazugehörigen Gefühle wechselseitig vorhanden seien. "Sind die Menschen einander nicht vertraut, oder wird das Knuddeln nicht von beiden Beteiligten gewünscht, geht es ins Leere", so der Hirnforscher Jürgen Sandkühler von der MedUni. Kuscheln könne dann sogar zur Ausschüttung des Stress-Hormons Cortisol führen, weil es als Verletzung des normalen Distanzverhaltens und damit als befremdlich oder sogar bedrohlich empfunden werde.
Kontraproduktiv
Gleiches gilt für die Dauer des Knuddelns. „Kuscheln ist gut, aber egal wie lange oder wie oft, wichtiger ist das Vertrauen.“ Ist das gegeben, sind sogar positive Auswirkungen auf den Oxytocin-Spiegel allein durch das gesteigerte emphatische Verhalten möglich, so der Neurophysiologe: „Studien haben gezeigt, dass sich bei Kindern, deren Mütter zusätzlich Oxytocin erhalten haben, der Wert des kindlichen, körpereigenen Hormons erhöht hat, also allein über das Verhalten der Mutter.“
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