Vitaminpräparate gegen Krebs: "Naiv"

Vitaminpräparate gegen Krebs: "Naiv"
Mit Flugblättern und einer Veranstaltung in der Hofburg wirbt der Arzt Matthias Rath für seine Theorien - die Kritik ist massiv.

Ich glaube, die meisten Patienten wissen mittlerweile, was sie davon halten sollen. Denn die Zahl der Nachfragen hält sich trotz der massiven Werbung dieses Arztes mittlerweile sehr in Grenzen", sagt Doris Kiefhaber, Geschäftsführerin der Österreichischen Krebshilfe.

Vergangene Woche fand sich in vielen Wiener Briefkästen das Flugblatt "Dr. Rath kommt!" Die Werbung für einen Vortrag des umstrittenen deutschen Arztes Matthias Rath in der Hofburg verspricht einen "Medizinischen Durchbruch für die ganze Menschheit" - und erklärt die Krebsentstehung und -therapie in wenigen Sätzen: Krebs verwende "biologische Scheren", die in der Lage seien, das umgebende Bindegewebe aufzulösen - natürliche Vitamine und andere Mikronährstoffe seien hingegen in der Lage, diese "biologischen Scheren" zu blockieren.

"Wenn das so leicht ginge - das wäre herrlich", sagt Krebsspezialist Univ.-Prof. Christoph Zielinski von der MedUni Wien: "Ich bin für alles dankbar, was die Sterblichkeit meiner Patienten verringert. Aber es muss die Wirkung der Substanzen in Studien im Vergleich zu Placebos ( wirkungslose Scheinpräparate, Anm.) belegt werden. Einen anerkannten Nachweis, dass Vitaminpillen gegen verschiedene Krebserkrankungen wirken, gibt es nicht."

Rath spricht von Erfolgen gegen Blutkrebs (Leukämie). Zielinksi: "Es gibt eine sehr seltene Leukämieform, bei der hoch dosiertes Vitamin A ein Teil der Therapie ist. Das gilt aber nicht für den Großteil der Leukämieformen - und auch nicht für andere Krebsformen."
"Vor mehr als zehn Jahren hat man versucht, die von Rath zitierten Enzymscheren zu blockieren", erzählt Onkologe Univ.-Prof. Michael Miksche: "Es war einer der ersten Ansätze für eine zielgerichtete Therapie, aber er war nicht erfolgreich."

Forschungserfolge

Mittlerweile, so Zielinski, sei es aber gelungen, Signalwege für das unkontrollierte Wachstum, die Vermehrung und Ausbreitung von Tumorzellen zu identifizieren. Und es gebe neue Wirkstoffe, die gezielt in solche Signalwege eingreifen und damit das Krebswachstum hemmen. "Zunehmend haben wir auch erfolgversprechende, auf den einzelnen Patienten abgestimmte Therapien. Von bestimmten Merkmalen der Krebszellen - etwa genetischen Mutationen - hängt es ab, welches Präparat eingesetzt wird." Diese neuen Therapien haben die Lebensdauer von Patienten in fortgeschrittenem Stadium nachgewiesenermaßen verlängert - ganz im Gegensatz zur Gabe von Vitaminen, betont Zielinski.

"Raths Botschaften klingen einfach, aber die Wissenschaft ist viel komplizierter", sagt Miksche. - Zielinski: "Früher habe ich mich über solche Aussagen wie jene von Rath geärgert. Heute, angesichts des enormen Wissensfortschritts über die Biologie der Krebszellen, kann ich seine Behauptungen nur noch als naiv bezeichnen."

Dass der unkritische Einsatz von Vitaminen riskant sein kann, zeigten erst in der Vorwoche zwei Studien: So erhöhte etwa zusätzliches Vitamin E das Risiko für Prostatakrebs.

Vitaminpillen - Kein Nachweis einer Wirkung

Das sind ganz gewöhnliche Nahrungsergänzungsmittel." So beurteilt Markus Zsivkovits von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit die von Rath via Internet vertriebenen Produkte. Rechtlich sei der Versand in Ordnung. Kritisch sieht Zsivkovits aber den Umstand, dass "der Eindruck erweckt wird, Rath würde die Vitaminpräparate empfehlen". Denn in der EU-Verordnung über gesundheitsbezogene Angaben von Lebensmitteln stehe, dass gesundheitliche Aussagen, die auf Empfehlungen von einzelnen Ärzten verweisen, "nicht zulässig" sind: "Die EU will nicht, dass die ärztliche Autorität dazu verwendet wird, ohne individuelle Beratung Lebensmittel zu bewerben." Für Nahrungsergänzungsmittel ist kein Nachweis einer Wirkung notwendig. "Wenn die Produkte aber so gut wirken, könnte Rath ja eine Zulassung als Arzneimittel anstreben", heißt es in der Apothekerkammer: "Dann gäbe es genaue Daten zu Wirkungen und Nebenwirkungen."

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