Viele Antidepressiva bei Jugendlichen nutzlos
Der Einsatz von Antidepressiva bei Kindern und Jugendlichen ist seit Jahren ein viel diskutiertes Thema und teilweise überhaupt umstritten. Nun befeuert eine neue, große Meta-Analyse die Meinung der Kritiker. Ein Team um Andrea Cipriani von der Oxford University untersuchte 34 bereits vorhandene Studien, an denen insgesamt 5260 junge Patienten teilgenommen hatten.
Laut Schätzungen leiden etwa drei Prozent der Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren sowie sechs Prozent der Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren an schweren, behandlungsbedürftigen Depressionen. Die Zahlen steigen offenbar: In den USA zwischen 2005 und 2012 von 1,3 auf 1,6 Prozent und in Großbritannien von 0,7 auf 1,1 Prozent.
Studienergebnis ernüchternd
Das Ergebnis der Analyse ist eher negativ, schreiben die Autoren in ihrer im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlichten Untersuchung. "Die Balance zwischen Risiken und Vorteilen der Antidepressiva in der Behandlung von schweren Depressionen scheinen bei Kindern und Teenagern keinen klaren Vorteil zu bieten." Sie empfehlen bei Verordnung eine engmaschige Beobachtung - unabhängig vom verwendeten Medikament und speziell am Beginn der Behandlung. Der Hintergrund: In den vergangenen Jahren waren Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von suizidalen Gedanken und Selbstmordversuchen aufgetaucht.
Fluoxetin zeigt am ehesten positive Effekte
Bei den am Markt erhältlichen Präparaten kamen die Forscher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Am ehesten zeigte offenbar der Wirkstoff Fluoxetin, ein selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), positive Effekte. Die ähnliche Substanz Venlafaxin zeigte im Vergleich mit Placebo und fünf anderen Antidepressiva ein erhöhtes Risiko für Suizidgedanken und -versuche. Besonders schlechte Ergebnisse zeigten sich bei den Wirkstoffen Imipramin und Duloxetin.
In Österreich wird nicht-medikamentöse Therapie empfohlen
Im Kinder- und Jugendalter wird bei Depressionen primär eine psychologische oder psychotherapeutische Intervention empfohlen. Das betonen neben den meisten europäischen Experten und alle Fachverbände auch die Ärzte in der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie. In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage heißt es 2014: Bei psychischen Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen seien "zuerst nicht-pharmakologische Interventionen" anzuwenden. Dies können etwa altersadäquate psychiatrische Beratungen sowie Psycho-, Ergo- oder Physiotherapie oder Logopädie sein. "Erst wenn diese Maßnahmen nach ausreichender Dauer keinen Erfolg zeitigen, kann es notwendig sein, eine medikamentöse Behandlung zu beginnen." Dabei sei ein "sorgsamer Umgang" unverzichtbar.
In der Gesellschaft wird betont, dass die österreichischen Kinder- und Jugendpsychiater im europäischen Vergleich sehr vorsichtig mit der Verschreibung von Psychopharmaka sind. Gemeinsam mit Frankreich werden in Österreich die wenigsten Psychopharmaka verschrieben.
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