Eine Schule für Krebspatienten
Vor vier Jahren bekam Uta Bruns, heute 72, zum zweiten Mal die Diagnose Brustkrebs – damals noch in Heidelberg. "HER-2-positiver Brustkrebs", um es genau zu sagen. Während der Chemotherapie zog sie – der Kinder wegen – nach Wien um. "Hier habe ich von der Cancer School erfahren, so etwas kannte ich aus Heidelberg nicht."
Dieses Krebs-Fortbildungsprogramm für Laien des Comprehensive Cancer Center Vienna der MedUni Wien und des AKH Wien richtet sich an alle Personen, die mehr über Krebs, seine Ursachen, die Therapien und das Leben mit der Krankheit wissen möchten. "Mein Mann – er leidet an einer Leukämieform – und ich haben uns sofort angemeldet. Dort ist uns erst der Mechanismus meiner Erkrankung klar geworden."
Umgang erleichtern
"Wir wollen den Patienten den Umgang mit der Erkrankung erleichtern", sagt Priv.-Doz. Matthias Preusser vom Leitungsteam der Cancer School. "Die Patienten werden mit vielen Begriffen konfrontiert, die sie oft noch nie gehört haben. Gleichzeitig besteht in der Ambulanz nicht die Möglichkeit, auf alles bis ins Detail einzugehen."
Die "Schülerzahlen" steigen: Gab es 2011 (im ersten Jahr) 313 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, waren es 2016 bereits knapp 1200.
Die Krebstherapie wird immer spezialisierter, oft haben es die Patienten mit vielen Spezialisten zu tun: "Da ist es dann schwierig, das Gesamtkonzept zu verstehen, alle Informationen richtig einzuordnen – genau das versuchen wir aber, mit unseren Vorträgen zu vermitteln."
"Patienten trauen sich zu fragen"
Patienten würden oft von Angehörigen und Freunden mit Tipps und Ratschlägen eingedeckt: "Es wird alles in einen Topf geworfen. Wir können dann erklären, warum eine spezielle Therapie zwar bei dem tippgebenden Bekannten, aber nicht für den Betroffenen selbst geeignet ist – oder dass eben zum Beispiel Brustkrebs nicht gleich Brustkrebs ist, dass es immer mehr Subtypen mit unterschiedlichen Behandlungsstrategien gibt. Die Patienten trauen sich auch in der Runde und dem informellen Rahmen, mehr zu fragen. Durch den Austausch merken sie, dass sie nicht alleine sind."
Wichtig sei auch die genaue Aufklärung über Nebenwirkungen: "Durchfälle bei Immuntherapien etwa wird oft keine große Bedeutung zugemessen. In bestimmten Fällen können sie aber ein Warnsignal sein, auf das man rasch reagieren sollte. In den Vorträgen wird das detailliert besprochen."
International beachtet
"Die Cancer School findet international viel Beachtung", sagt auch Univ.-Prof. Christoph Zielinski, Koordinator des Comprehensive Cancer Center der MedUni Wien / AKH Wien. "Sie hilft Patienten und Angehörigen, die Krankheit zu verstehen."
"Ich habe viel gelernt", sag Uta Bruns: "Dass man sich etwa nicht scheuen soll, eine zweite Meinung einzuholen; oder welche Bedeutung auch Ernährung und Bewegung spielen. Ich fühle mich jetzt viel sicherer als früher."
Nähere Infos
Basiskurs Krebswissen
Der nächste Basiskurs Krebswissen beginnt am Montag, 24. 4., 16.30 bis 18.30 Uhr. Erstes Thema: Krebsentstehung und Diagnosestellung. Referenten sind Univ.-Prof. Dr. Martin Susani, Dr. Alexander Sachs und Univ.-Prof. Walter Berger. Ort: Hörsaalzentrum der MedUni Wien (AKH Wien, Ebene 8).
Weitere Termine: 3. 5. (aktuelle Krebstherapien), 10. 5. (Chemotherapie ein Auslaufmodell?), 15. 5. (Begleitung, Vorsorge, Ernährungsempfehlungen, Schlafstörungen, Sport & Krebs). Alle Angebote sind kostenlos.
Anmeldung: www.cancerschool at oder unter Telefon 01 / 40 400 / 39 400
Aufbaukurs und Exkursionen
Im anschließenden Aufbaukurs wird das Wissen über spezifische Erkrankungen vertieft. Darüberhinaus werden Exkursionen in einzelne Spitalsabteilungen und Workshops (etwa Atemtraining) angeboten.
Der Onkologe Priv.-Doz. Matthias Preusser gehört zum Leitungsteam der Cancer School von MedUni und AKH Wien.
KURIER: Eine Krebsdiagnose ist ein Schock für die Betroffenen. Wie kann da eine Cancer School helfen?
Matthias Preusser: Die Ungewissheit, die Therapien, die Geräte – das alles zusammen macht vielen Menschen Angst. Oft entstehen diese Ängste durch Unwissen. Die Strahlentherapie ist da ein gutes Beispiel. Wenn man aber genau erklärt, wie die Therapien genau funktionieren, dass die Bestrahlung heute nur sehr kurz und sehr zielgerichtet funktioniert, dann nimmt das viel Angst.
Früher gab es Chirurgie, Strahlen-, Chemotherapie, heute auch Immuntherapie, Antikörper, etc. Steigt der Erklärungsbedarf?
Ganz eindeutig. Und die Patienten lesen von neuen Erfolgen zum Beispiel mit der Immuntherapie (macht Tumoren für das Abwehrsystem wieder sichtbar) und wollen dann auch diese Medikamente. Da müssen wir dann erklären, dass diese Therapie nicht für jede Tumorart und auch nicht für jeden Patienten einer speziellen Tumorart passt. Ähnlich ist das mit der Protonenstrahlung, die jetzt in Wiener Neustadt angeboten wird. Die ist nur in ganz speziellen Fällen sinnvoll. In der Cancer School können wir die genaue Wirkung der Therapien erklären.
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