TV-Helden sind fatale Vorbilder

TV-Helden sind fatale Vorbilder
In Serien kommen Lebensmittel als Fast Food, Alkohol und Kaffee vor. Das wirkt sich auf Jugendliche besonders negativ aus.

Die Jung-Ärztinnen in der Fernsehserie Grey’s Anatomy sind hart im Nehmen. Nach dem anstrengenden Dienst schlagen sie an der Bar mit harten Drinks über die Stränge – um am nächsten Morgen wieder frisch wie ein Tautröpfchen im Operationssaal zu stehen. Wenn sie nicht schon ein Notfall mitten aus der Feierabendlaune geholt hat. Auch Mein cooler Onkel Charliehat’s drauf: Fast Food, dazu Kaffee und Alkohol in Massen – aber Charlie Sheen alias Charlie Harper ist körperlich stets toll in Form. Leberschaden oder sonstige realistische Gesundheitsbeeinträchtigungen sind kein Thema.

Marlene Schöpf, Kommunikationswissenschaftlerin und Diätologin, thematisiert das sehr wohl. "Die Seriendarsteller sind Sympathieträger. Diese Signale sind fatal." Besonders Jugendliche und junge Erwachsene zwischen zwölf und 29 Jahren lieben Serien. "Sie haben eine Art Vorbildwirkung und sind ähnlich wie Werbung aufgebaut: Je mehr ich damit konfrontiert bin, desto mehr davon nehme ich an." Junge Menschen seien gefährdeter. "Sie reflektieren dieses realitätsferne Essverhalten nicht. Alkohol und Süßigkeiten werden im TV als Emotionsträger genutzt."

Serien im Test

In einer kürzlich am Diätologenkongress in Wien präsentierten Studie untersuchte Schöpf 29 Folgen (12,3 Stunden) von elf unterschiedlichen Serien, die im Laufe einer Woche auf ORF 1 liefen – neben den eingangs erwähnten auch Die Simpsons, Dr. House, Anna und die Liebe sowie SOKO Kitzbühel.

Das Ergebnis ist ernüchternd: "Die Ernährungspyramide steht auf dem Kopf. In den Serien werden vorrangig Lebensmittel konsumiert, die nur sehr sparsam zum Einsatz kommen sollten." Insgesamt beherrschte das Thema Ernährung 14 Prozent der Sendedauer. Davon kam am häufigsten Alkohol vor (32 %), gefolgt von Kaffee (15 %) und Süßigkeiten (12 %). Nicht nur, dass die gezeigten Lebensmittel in der Realität nicht den Löwenanteil ausmachen sollten: "Es wird suggeriert, dass kein Zusammenhang zwischen Ernährungsverhalten, Gewicht und Gesundheit besteht."

Positiv sticht in Schöpfs Analyse die einzige heimische Produktion, SOKO Kitzbühel, hervor. "Gesunde Ernährung ist verblüffend oft ein Thema. Es wird gemeinsam gegessen und übers Essen gesprochen." Vielleicht, weil die Serie zum Teil im Wirtshaus spielt. Oft im Bild sind Obst und Wasser auch im einzigen deutschen Serienbeitrag, Anna und die Liebe. "Aber nur als Requisiten. Wirklich konsumiert werden hier Kuchen und Kaffee."

Was Marlene Schöpf übrigens besonders sauer aufgestoßen ist: Frauen werden sehr häufig mit Spirituosen dargestellt. "Vielleicht wird die Emanzipation hier auf die Spitze getrieben."

Angesichts steigender Zahlen junger Übergewichtiger setzt in den USA schon ein Umdenken ein. Dort werden Ernährungsexperten in die Aufbereitung von Ernährungsthemen in TV-Serien einbezogen. Diätologin Schöpf: "Wir sollten auch hierzulande die Medienkompetenz des Publikums schärfen. Damit wir nicht nur passive Rezensenten bleiben."

Weiterführende Links

Kommentare