Tutanchamun-Büste versteigert: Raubkunst, oder was?

Die umstrittene Tutanchamun-Büste
Woher die Tutanchamun-Statue kam, die jetzt in London versteigert wurde. Und wie mit anderen berühmten Stücken umgegangen wird.

Die Faktenlage ist verwirrend. Nur eines scheint festzustehen: Wien war eine der Stationen von Tutanchamun auf seinem Weg ins Auktionshaus Christie’s in London. Dort wurde die 28,5 cm hohe Skulptur aus Quarzit vor zwei Tagen für 5,3 Millionen Euro versteigert. Unter heftigen Protesten der Ägypter. Doch der Reihe nach.

Herkunft

Tatsächlich scheint die Herkunft des guten Stücks zumindest hinterfragenswürdig: Das Online-Wissenschaftsmagazin Live Science hat versucht, den Weg der Büste nachzuzeichnen: Ursprünglich stamme sie aus einer alten Sammlung. Und zwar der von Prinz Wilhelm von Thurn und Taxis, der sie um 1960 erworben habe. So jedenfalls behauptet es Christie’s. Live Science hat also das Leben des Fürsten (1919–2004) durchleucht und mit Familienmitgliedern gesprochen. „Die Erben können sich jedoch nicht erinnern, die Skulptur jemals gesehen zu haben, Dokumente liegen nicht vor“, sagt Elke Kellner vom International Council of Museums (ICOM), die sich intensiv mit kolonialer Raubkunst beschäftigt. Nichte Daria von Thurn und Taxis sagt sogar, dass Onkel Willy „kein sehr kunstinteressierter Mensch“ gewesen sei.

Gegenargumente

Catherine Manson von Christie's hält dagegen: Das Auktionshaus habe umfangreiche Provenienzforschung gemacht und ebenfalls mit Daria und Wilhelms Sohn Viktor gesprochen. Sie „waren damals jung und erinnern sich nicht an den Kopf, aber auch nicht, dass es ihn sicher nicht gegeben habe“. Christie’s Forschung zur Familiengeschichte deutet darauf hin, dass der reiselustige Großvater des Prinzen Thurn und Taxis auch Gegenstände aus Afrika mitgebracht haben könnte. Wobei sich Daria zu erinnern glaubt, dass die Stücke eher europäisch und nicht altägyptische waren.

Österreich-Bezug

Ägypten hat jedenfalls Protest angemeldet: Man ist überzeugt, dass die Skulptur in den 1970er-Jahren aus dem Karnak-Tempel gestohlen wurde. „ Auch dafür liegen leider keine Beweise vor“, sagt Kellner. Nur eines scheint sicher: 1970 lebte Thurn und Taxis in Wien und hat die Statue 1973 oder 1974 (genau lässt sich das nicht mehr ermitteln) dem Wiener Kunsthändler Josef Messina, Eigentümer der Galerie Kokorian & Co., verkauft. Von dort ging sie 1982/’83 nach Klagenfurt zu Arnulf Rohsmann, weiter nach München und London.

„Unbestreitbar ist diese Darstellung von Tutanchamun von höchster Qualität und für Ägypten ein äußerst wichtiges Kulturgut. Wenn Zweifel an der Provenienz bestehen, sollte es an Ägypten zurückgegeben werden, auch wenn so eine Entscheidung nicht legistisch zwingend ist“, sagt Kellner. „Fälle wie dieser kommen relativ oft vor – Ägypten beobachtet die internationalen Auktionen genau. Es werden auch regelmäßig Objekte zurück gegeben.“

Bekannte Namen

Gestritten wurde auch um zahlreiche andere Kunstwerke, die sich heute in europäischen Museen befinden. Die bekanntesten Namen darunter: Der Schatz des Priamos, das Ischtar-Tor oder der Parthenon-Fries (siehe Grafik unten).

Der Status der Nofretete scheint geklärt. Sie kam legal nach Deutschland. Moralisches Problem: An der Fundteilung waren der deutsche Chefarchäologe Ludwig Borchardt und die französische Altertümerverwaltung beteiligt. Die Ägypter aber nicht. „In der Tat sind die Ägypter wie alle Geberländer, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Museen der westlichen Welt mit ihrem Kulturerbe bereichert haben, schamlos ausgenutzt worden“, sagte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy einmal in einem Interview mit der WAZ.

Vorbild Weltmuseum

Wie man korrekt mit fragwürdigen Stücken umgeht, macht übrigens das Wiener Weltmuseum vor: „Von 2010 bis 2012 haben österreichische und mexikanische Konservatoren gemeinsam daran gearbeitet, den Quetzalfederschmuck (besser bekannt als Federkrone Moctezumas, siehe Grafik) wieder ausstellungsfähig zu machen“, erzählt der Kurator Gerard van Bussel. Danach einigten sich Österreich und Mexiko gemeinsam darauf, dass der Federschmuck in Wien bleiben solle, weil er zu fragil sei und nach dem jetzigen Stand der Technik nicht reisen darf. „Gemeinsam“ ist das wichtigste Wort in diesem Zusammenhang: „Wir wollen dem jeweiligen Land Zugang zu den Sammlungen verschaffen.“ Darum haben Mexikaner seit Jahren freien Eintritt ins Weltmuseum.

Die Bemühungen werden auch international gewürdigt: Unlängst hat das Weltmuseum den renommierten Kenneth Hudson Award für außergewöhnliche Leistungen im Umgang mit dem kulturellen Erbe verliehen bekommen.

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