Was Darwin wirklich erforschte
Die Welt scheint sich zurückzuentwickeln – Glaube statt Wissenschaft lautet immer häufiger die Devise. In der Türkei soll jetzt die Evolutionstheorie aus den Schulbüchern gestrichen werden, und in einigen christlich geprägten Ländern haben die Kreationisten mittlerweile das Sagen.
Dabei ist für Wissenschaftler Charles Darwins 150 Jahre alte Theorie in ihren Grundzügen bis heute gültig. Entwickelt hat sie der Brite während seiner Forschungsreise auf der HMS Beagle, bei der er die Flora und Fauna ferner Länder katalogisieren und beschreiben wollte. Beim Besuch einiger Inseln – besonders der Galapogosinseln – stellte er fest, wie ausdifferenziert die Tier- und Pflanzenwelt ist. Heißt: Einige Arten gibt es ausschließlich auf einem abgeschlossenen Gebiet. Allmählich kam er zum Schluss, dass diese sich über Jahrhunderte an ihre Umwelt optimal angepasst haben mussten. Darwin war nicht der erste, der an der Schöpfungsgeschichte der Theologen zweifelte. Schon vor ihm veröffentlichen Wissenschaftler wie Jean-Baptiste Lamarck Evolutionstheorien.
Neues im Erbgut
Was Darwin noch nicht wusste: Neues entwickelt sich durch spontane Veränderungen im Erbgut, der DNA. "Die meisten solcher Mutationen sind eher zum Nachteil, nur wenige zum Vorteil für ein Lebewesen. Nur wenn das neue Gen an die nächste Generation weitergegeben wird, kann es sich in einer Population festsetzten. Viele Mutationen verschwinden allerdings aus dem Genpool. Andere bleiben in einer bestimmten Frequenz vorhanden, die zur Variabilität der Organismen beiträgt", erläutert Technau.
Die Variabilität, die so in einer Population entsteht, wird von den Kreationisten im Grundsatz angezweifelt. Kein Wunder, kommt Darwin doch zum Schluss, dass letztendlich alle Wesen miteinander verwandt sind und einen gemeinsamen Ursprung haben. Das nicht anerkennen zu wollen, ist für den Wissenschaftler Ulrich Technau eine Katastrophe. Weniger, weil es eine alternative Erklärung der Schöpfung ist, sondern weil das Folgen für künftige technische Entwicklungen hat. Der Biologe nennt ein Beispiel: "Wir können Bakterien entwickeln, die Dinge verdauen, die bisher noch kein Lebewesen verdaut hat – das kann in der Umweltbiologie von Bedeutung sein. Geht man vom Grundsatz ab, dass sich diese Einzeller verändern können, hat man sich diesen Weg verbaut."
Welterklärer
Es geht bei der Evolutionstheorie nicht um die Frage Glauben oder Nichtglauben. Auch als religiöser Mensch könne man die Evolutionstheorie akzeptieren, ist der Biologe überzeugt. Das sieht Philosoph Rudolf Langthaler ähnlich: "Die Bibel bietet keine wissenschaftliche Welterklärung, sondern sagt viel darüber aus, wie der Mensch im Verhältnis zur Welt und zum Göttlichen leben soll."
Das sei vielen im Christentum klar: "Seit 200 Jahren ist die Bibelkritik, die das Wort eben nicht wörtlich nimmt, sondern im Kontext sieht, selbstverständlich. Anders ist das in den USA, wo es viele evangelikale Gruppierungen gibt, und im Islam, wo es diese Form der Auseinandersetzung mit dem Koran noch gar nicht gibt", stellt Langthaler fest.
Dass die Kreationisten immer mehr Zulauf haben, sei aber auch die Schuld einiger radikaler und polarisierender Wissenschaftler. Prominentes Beispiel sei Richard Dawkins, dessen Engagement gegen die Religion er genau so problematisch sieht wie den Missionierungseifer mancher Christen und Muslime: "Sie verkennen, dass Wissenschaft und Religion verschiedene Erklärungsansprüche haben, doch beide haben eine Berechtigung."
Gott hat die Welt, alle Tiere und den Menschen vor rund 6000 Jahren erschaffen, in exakt sieben Tagen. So steht es in der Bibel – und genau so wird die Entstehung der Welt im „Creation Museum“ im US-Bundesstaat Kentucky seit einigen Jahren vermittelt. In den Sälen tummeln sich zwar Dinosaurier-Modelle und anderes Getier, aber auch lebensgroße Darstellungen von Adam und Eva im Paradies oder der Arche Noah.
Das sind Wahrheiten, auf die sich die Kreationisten (von lat. creatio für Schöpfung) berufen. Woran die meist evangelikal-christlichen Anhänger dieser Bewegung genau glauben, unterscheidet sich je nach Gruppierung. Was sie eint: Sie lehnen die Evolutionstheorie von Charles Darwin ab, der schließlich die Schöpfungsgeschichte in Frage stellte.
In Europa ist der aus den USA stammende Kreationismus noch ein Randthema. Er breitet sich derzeit weltweit aus, eine organisierte Gemeinschaft fehle aber, berichtete Science vor kurzem. In Russland gibt es ebenso Anhänger und die sind mancherorts Teil der „religiösen Elite“. ingrid Teufl
Kommentare