Trotz Krankheit neuen Mut schöpfen

Trotz Krankheit neuen Mut schöpfen
Ein Lesebuch soll bei Spitalsaufenthalten helfen, die eigene Krankheit zu bewältigen. Geschrieben haben es Betroffene.

Wie lange ich lebe, liegt nicht in meiner Macht. Dass ich aber, so lange ich lebe, wirklich lebe, hängt von mir ab. Lucius Annaeus Seneca (1-65 n. Chr.)

Plötzlich ist das ganze Leben anders und auch man selbst verändert sich in dieser Situation. Man ist fixiert auf die Menschen, die einem helfen. Oft fehlen einem auch die Visionen, wie es weitergehen soll." Karl-Heinz Hackl ist bekannter Burgschauspieler, aber wenn er über seine Krankheitsgeschichte spricht, ist das nicht gespielt. 2003 war bei ihm ein Gehirntumor festgestellt worden. "Ein Jahr lang war ich in Spitälern und Rehab-Einrichtungen. Da bekommt man eine andere Beziehung zu allem."

So wie Hackl geht es vielen Patienten. "Eine Studie in unseren Häusern zeigte, dass Krankheit die Menschen und auch ihre Werte verändert. Trotz aller menschlicher Autonomie ist man abhängig, hat Angst, fragt nach dem ,Warum'", sagt Michael Henisch, Geschäftsführer der Vinzenz Gruppe, die in Wien, NÖ und OÖ Ordensspitäler und Pflegeheime betreibt. Neben der medizinischen Versorgung wolle man auch die Seele behandeln - und die Patienten ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Warum sich das ein Krankenhaus überhaupt antut, erklärt die klinische Psychologin Christine Roninger. "Krankenhäuser sind - ob man will oder nicht - auch Orte der Reflexion, des Umdenkens und der Weiterentwicklung. Es werden hier zwangsläufig Veränderungsprozesse in Gang gesetzt." Man habe überlegt, wie sich diese Tatsache im Klinikalltag integrieren ließe, um so viele Patienten wie möglich zu erreichen.

Und so entstand die Idee des Patienten-Lesebuchs "Sich vom Leben berühren lassen", aus dem Karl-Heinz Hackl und Erwin Steinhauer anlässlich der Buchpräsentation vorlasen. "Unsere Mitarbeiter sind immer wieder beeindruckt, wie stark Menschen in ihrer Krankheit sind", sagt Geschäftsführer Henisch. "Es hilft, mit anderen zu reden und sich auseinanderzusetzen."

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Ein engagiertes Team habe aus allen Häusern der Vinzenzgruppe Geschichten und Erlebnisse zusammengetragen, die anderen Kranken weiterhelfen könnten. "Wir haben versucht, Beiträge zu sammeln, die ressourcenstärkend und positiv sind", betont Roninger. Im Lauf seines Lebens entwickle jeder seine eigenen Bewältigungsstrategien. "Wir wissen, dass manche Haltungen in Krisensituationen zum Vorschein kommen und eine Veränderung bewirken." Es gehe um Haltungen wie Akzeptanz, Sinngebung ("Wofür lebe ich überhaupt?") und Selbstkompetenz. "Das Buch soll Mut machen auf den notwendigen Veränderungsprozess und Kraft geben, den eigenen Umgang mit der Erkrankung zu finden", erklärt die Expertin.

Bei Patientin Margareta Vetter, 67, ist das gelungen. Seit zwei Monaten laboriert sie an einer gebrochenen Schulter und neurologischen Störungen in den Beinen. "Ich hab' das Buch an einem Nachmittag ausgelesen. Hoffentlich gibt es bald eine Fortsetzung."

Auszüge: Kleine Story, große Wirkung

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Ehrlichkeit „Der Krankheitsverlauf von Frau S. war gezeichnet von vielen Eingriffen und einem langwierigen Heilungsprozess (...) Frau S. wollte weder in Mitleid noch in Selbstmitleid baden. Sie hatte sich vorgenommen, in jeder Lebenslage – sogar in dieser – das Positive zu suchen und zu sehen, und das zog sie jetzt durch.“

Neugierde Als Hans Z. älter wurde, stieß er selbst bald an seine (körperlichen) Grenzen. (...) Täglich saß er auf seinem Hometrainer, im zugigen Flur seines Hauses, und machte „Work-out“ bei offener Tür. (...) Hans Z. hielt sich auch geistig in Bewegung. (...) Als das Leben für ihn schon sehr mühsam wurde, dachte er viel darüber nach, warum er noch nicht heimgeholt wird. (...) „Ich soll wohl noch etwas lernen in diesem Leben“, vertraute er seinem Schwiegersohn an. „Da bin ich aber neugierig, was das sein soll.“

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