Wie Spendernieren länger halten

ARCHIV - Eine Mitarbeiterin der Deutschen Stiftung für Organtransplantation in Neu Isenburg (Kreis Offenbach) trägt am 18.02.2005 in einem Gang der Organisation eine spezielle Kühlbox für Spenderorgane. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat die SPD aufgefordert, im Konflikt um eine Neuregelung zur Organspende einzulenken. «Beim sensiblen Thema Organspende darf man nicht durch Zwang Druck auf die Menschen ausüben», sagte Bahr der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Foto: Frank May dpa (Zu dpa-Gespräch: "Bahr: SPD soll bei Organspende einlenken" vom 24.10.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Neues Medikament gegen Abstoßung hat deutlich weniger Nebenwirkungen.

18 Jahre lang hat bei Christine Vranitzky die Niere eines toten Spenders funktioniert – ehe sie 2005 eine neue (von ihrem Mann Franz Vranitzky) bekam. Rund zehn Jahre beträgt im Durchschnitt die Lebensdauer von Nieren toter Spender. Vielfach ist sie zwar deutlich länger, „doch die langfristigen Ergebnisse sind nicht optimal“, sagt der Immunologe Univ.-Prof. Thomas Wekerle von der Uni-Klinik für Chirurgie der MedUni Wien (AKH Wien). Jetzt gibt es aber erste Hinweise, dass ein neuer Wirkstoff (Belatacept) zur Unterdrückung der Immunabwehr die Lebensdauer deutlich verlängern könnte. An dessen Entwicklung war die MedUni Wien mit mehreren Studien maßgeblich beteiligt. Das neue Medikament wird auch ein Thema beim Europäischen Transplantationskongress (ESOT) sein, der vom 8. 9. bis 11. 9. im Wiener Austria Center mit 3500 bis 4000 Teilnehmern stattfindet.

Wie Spendernieren länger halten
Thomas Wekerle, MedUni Wien
Seit knapp 30 Jahren werden Cyclosporin-A und verwandte Wirkstoffe gegen die Abstoßungsreaktion eingesetzt. „Diese sind sehr wirksam, haben aber zwei große Probleme“, sagt Wekerle: „Sie haben viele Nebenwirkungen, können Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels oder Diabetes auslösen bzw. die Nieren schädigen. Und sie können eine langsame, über die Jahre fortschreitende Abstoßung nur unzureichend verhindern.“

Gezielte Wirkung

Bereits seit 2001 ist die MedUni Wien in die Entwicklung eines neuen Wirkstoffes eingebunden, der ganz gezielt die Aktivierung von Abwehrzellen gegen das Transplantat blockiert. Er wurde 2011 für Patienten mit einer transplantierten Niere zugelassen. „Nebenwirkungen wie Bluthochdruck oder Diabetes hat dieses Medikament noch nicht ausgelöst, es gibt auch keine nierenschädigende Wirkung“, betont Wekerle.

Gleichzeitig haben die Patienten ein bzw. drei Jahre nach der Transplantation „eine wesentlich bessere Nierenfunktion als Patienten, die mit den alten Medikamenten behandelt wurden.Deshalb geht man davon aus, dass die Organe auch länger funktionieren werden.“

Während bei der herkömmlichen Therapie die Patienten täglich Tabletten schlucken müssen, wird das neue Präparat alle vier Wochen als 30-minütige Infusion verabreicht. „In Wien ist das derzeit nur im Spital möglich, weil bei niedergelassenen Ärzten die Kosten nicht erstattet werden. Grundsätzlich könnte die Therapie aber auch dort durchgeführt werden.“

Die Zukunftsvision

Die Zukunftsvision ist, eines Tages überhaupt auf Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems verzichten zu können – ein Gebiet, auf dem MedUni-Wien-Wissenschaftler arbeiten: Man programmiert das Immunsystem so um, dass es das fremde Organs wie eigenes Gewebe behandelt. „Kleine Studien mit Patienten haben gezeigt, dass das grundsätzlich möglich ist“, sagt Wekerle: Dazu müsste man die Niere gemeinsam mit Knochenmark des Spenders transplantieren. „Damit sich das fremde Knochenmark einnisten kann, muss man die Patienten aber massiv vorbehandeln – mit Bestrahlung und Chemotherapie.“ Noch sei dieser Preis wegen der Nebenwirkungen zu hoch und für Transplantationspatienten nicht zumutbar: „Aber sollte es gelingen, die Vorbehandlung schonender zu machen, wäre das revolutionär.“

Wie Spendernieren länger halten

Die Bilanz ist zwiespältig: 2012 ist die Zahl der Organtransplantationen in Österreich leicht gestiegen. Die Rate der verstorbenen Organspender pro Million Einwohner ist allerdings seit 2009 um zehn Prozent gesunken – auf 22,5 pro Million Einwohner. Der angestrebte Zielwert liegt bei 30 pro Million Einwohner. Das geht aus dem Transplant-Jahresbericht 2012 der Gesundheit Österreich (GÖG) im Auftrag des Gesundheitsministeriums hervor. Trotzdem hat Österreich bei der Zahl der verstorbenen Spender international immer noch einen Spitzenplatz inne. Anders ist dies beim Anteil der Lebendspender, der etwa in Skandinavien deutlich höher ist. Das Durchschnittsalter der Spender steigt (bei Nierenspendern von früher rund 40 bis 45 Jahren auf derzeit 55 Jahre). „Bezüglich der Wartezeiten erhält man den Eindruck, dass sie tendenziell länger werden“, heißt es in dem Bericht. Am 31.12.2012 warteten 1036 Patienten auf ein Organ, ein Jahr davor waren es 1005.

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