Transplantationen „über Kreuz“ verkürzen die Wartezeiten
Es sind zwei jüngere Menschen, die an einem Nierenversagen leiden und nur mehr mithilfe der Dialyse ihr Blut reinigen können. In einem Fall war der Ehemann bereit, seiner Frau eine Niere zu spenden, im anderen Fall ist es ein Brüderpaar, wo einer dem anderen ein Organ geben wollte.
Allerdings: „Die Gewebeeigenschaften sind so unterschiedlich, dass in beiden Fällen eine Lebendtransplantation nicht infrage kam“, sagt der Nierentransplantations-Spezialist Georg Böhmig, Uni-Klinik für Innere Medizin III am Wiener AKH/MedUni Wien. Und auf die Niere eines toten Spenders hätten die beiden drei bis dreieinhalb Jahre warten müssen. Trotzdem gab es jetzt eine Lösung: Der Ehemann spendete seine Niere dem Nierenpatienten des Brüderpaares, und dessen gesunder Bruder sein Organ der Ehefrau des Mannes. Möglich wurde diese „Über-Kreuz-Transplantation“ (Cross-Over-Transplantation) durch ein neues Computerprogramm. „Es werden pro Person Antikörper gegen etwa 200 verschiedene Oberflächenmerkmale getestet und verglichen. Es ist unmöglich, das ohne Computerhilfe zu bewerkstelligen.“ Der neue Berechnungsalgorithmus, der von einer australischen Arbeitsgruppe entwickelt wurde, vergleicht exakt, welche Paare aufgrund ihrer Gewebemerkmale für eine derartige Transplantation infrage kommen.
Rund ein Fünftel aller potenziellen Lebendspender sind immunologisch nicht kompatibel mit den Empfängern: Davon betroffen sind vor allem Menschen, die bereits ein Transplantat oder Blutkonserven erhalten haben bzw. schwanger waren. „Sie haben dann Antikörper gegenüber dem Gewebe von bis zu mehr als 50 Prozent aller Menschen in ihrem Blut – dementsprechend schwer ist es, einen geeigneten Spender zu finden“, so Böhmig.
Anonyme Spende
Die beiden Paare, bei denen am 5. November die Über-Kreuz-Transplantation durchgeführt wurde, kennen einander nicht: „Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass dies psychologisch die bessere Variante ist.“
Beide Operationen fanden zur gleichen Uhrzeit statt. „Damit wollen wir kleinste Restrisiken verhindern – dass etwa ein Spender die Entnahme bereits hinter sich hat, und der andere es sich doch noch überlegt. Oder einer auf dem Weg zum Spital einen Unfall hat.“ US-Daten zeigen, dass es eine nachträgliche Ablehnungsrate von zirka fünf Prozent der Beteiligten solcher Über-Kreuz-Transplantationen gibt, wenn die Eingriffe nicht gleichzeitig stattfinden. Böhmig hat in Wien elf Paare auf seiner Liste für das neue Cross-Over-Transplantationsprogramm. „Ziel ist die Ausweitung auch auf die Zentren in Graz, Linz und Innsbruck.“ Damit könnten insgesamt die Wartelisten für eine neue Niere deutlich verkürzt werden.
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