Tibetische Medizin als wertvolle Ergänzung

Tibetische Medizin als wertvolle Ergänzung
Pflanzenarzneien sind in der Heimat des Dalai Lama wichtig. In der EU wurde im Vorjahr das erste Mittel zugelassen.

Pflanzliche Heilmittel und ein jahrtausendealtes Gesundheitssystem: Nach TCM und Ayurveda interessieren sich immer mehr Menschen für Traditionelle Tibetische Medizin (TTM). Im Vorjahr wurde erstmals ein pflanzliches Heilmittel der asiatischen Medizin im EU-Raum als Arzneimittel gegen Durchblutungsstörungen zugelassen. Das ist ganz im Sinne des Dalai Lama, der heute, Donnerstag, in Österreich eintrifft.

Er macht sich seit Langem für die Erforschung und Überprüfung tibetischer Heilmittel nach modernen westlichen Maßstäben stark. "Ich glaube, das tibetische Medizinsystem kann einen Beitrag zum Wohlergehen aller Menschen leisten."

Das glauben auch heimische Schulmediziner. "Die Wirkung des nun zugelassenen Padma Circosan ist im Labor nachweisbar", sagt der Gefäßchirurg Klaus Mayer aus Wolfsberg, Kärnten. "Es greift sichtbar an jenen Stellen ein, wo Gefäßverkalk­ungen auftreten und verhindert diese auch." Er setzt es ebenso bei anderen chronischen Entzündungen ein: "Überall dort, wo das Immunsystem aufgebaut werden muss."

Ähnliches erlebt auch Apotheker Gunther Wenninger-Weinzierl aus Bad Schallerbach. "Bei speziellen Durchblutungsstörungen bietet die Schulmedizin wenig. Wir kombinieren mit tibetischer Medizin." Gerade für die Prävention sei diese hilfreich. "Das zugelassene Arzneimittel ist auch ein hochpotentes Antioxidans, weil es zellregenerierend wirkt. Das verkürzt etwa bei Sportlern die Erholungszeiten." Ein anderes Mittel – das allerdings derzeit als Nahrungsergänzungsmittel deklariert ist – empfiehlt er zur Leberregeneration.

Ganzheitlicher Ansatz

Warum das in sich geschlossene, 1200 Jahre alte Heilsystem hierzulande auf dem Vormarsch ist, überrascht ihn nicht. "Es ist ein ganzheitliches System mit vielem, das im Westen verloren ging. Berühren, Beobachten und Befragen sind wichtig, um als Mensch wahrgenommen zu werden." Psychiater Jens Tönnemann von der Akademie für Traditionelle Tibetische Medizin (ATTM) schätzt den "stufenweisen Behandlungsansatz". Bevor überhaupt Kräuterrezepturen eingesetzt werden, setze man in Tibet auf Änderung der Ernährung und des Lebensstils.

Gefäßmediziner Mayer: "Viele sehen es als Vorteil, keine chemischen Substanzen zu sich zu nehmen." Ihn fasziniert, dass die Arzneien zum Großteil schon vor Jahrhunderten entwickelt und seither unverändert angewendet werden. "Jedem Wirkstoff sind bestimmte Eigenschaften zugeordnet. Nach diesen werden sie kombiniert und für die jeweiligen Anforderungen zusammengestellt." Die Arzneien werden aus echten Pflanzenteilen (nicht Extrakten) hergestellt. "Ein Drittel betrifft die Hauptwirkung, ein Drittel unterstützt diese und ein Drittel bekämpft etwaige Nebenwirkungen der Kräuter."

Manchmal führt jedoch kein Weg an der Schulmedizin vorbei. Tönnemann: "Akut- und Notfallmedizin sind wohl nicht so sehr das Einsatzgebiet der TTM. Aber in vielen Bereichen ist sie eine wertvolle Ergänzung, ein hoch qualifiziertes Nebeneinander verschiedener Methoden."

Der Handel mit den Heilkräutern blüht

Die Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) ist im Umbruch: "China steckt irrsinnig viel Geld und Manpower in Erforschung und Produktion von TCM-Mitteln, um sie in Europa und den USA auf den Markt zu bringen", sagte am Mittwoch Brigitte Kopp vom Institut für Pharmakognosie der Universität Wien im Vorfeld einer internationalen Tagung.

Der Markt, den früher in Europa altbekannte pflanzliche Präparate (vom Kamillentee bis zum Johanniskraut) dominierten, wird zunehmend international. Doch nicht immer sei die Qualität optimal, nicht immer werde kontrolliert.

"In der Phytotherapie werden vor allem Gesamtextrakte von Pflanzen verwendet. Weltweit werden rund 70.000 Pflanzenarten benutzt, in Österreich sind es rund 200. Weiters werden noch etwa 500 in der Volksmedizin eingesetzt", so die Expertin.

Generell könne man sagen, dass Phytopharmaka, die auch als solche zugelassen sind, breite Wirkung bei zumeist geringeren Nebenwirkungen als synthetische Mono-Substanzen in Arzneimitteln haben.

Zunehmend kommen die Produkte aus anderen Weltregionen auf den Markt, zum Teil auch bloß als Nahrungsergänzungsmittel – und damit ohne entsprechende Qualitätskontrolle und Zulassung.

Die Experten raten dazu, sich Phytopharmaka nur von einem auch schulmedizinisch arbeitenden Arzt mit entsprechender Ausbildung verschreiben zu lassen und die Heilmittel aus Apotheken zu beziehen.

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