Quantenphysik: Spielen im Dienste der Wissenschaft

Schon Einstein war der „spukhaften Fernwirkung “ auf der Spur.
Wie Hänschen Normalbürger jetzt zum Quantenphysik-Assistenten werden kann.

Morgen ist es so weit, Unzählige spielen ein Spiel: 0 und 1 in den Computer eingeben, lautet die Aufgabe, und das in einer möglichst willkürlichen Abfolge. Wer besonders unvorhersehbar zwischen beiden hin und her wechselt, steigt ins nächste Level auf und gewinnt – so der Plan. "Das, was die Leute eingeben, wird auf einem Server gespeichert und via Internet gestreamt. Jede Zufallszahlenreihe wird von uns in Signale umgewandelt, die wir im Experiment verwenden können", erklärt Thomas Scheidl vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation.

Spielen im Dienste der Wissenschaft, lautet die Devise. Genauer gesagt, um Albert Einsteins "spukhafter Fernwirkung", der Verschränkung zweier Teilchen, auf die Spur zu kommen. Dabei waren heimische Quantenphysiker in dieser Causa auch bisher nicht untätig: Sie testeten die spukhafte Fernwirkung bereits zwischen La Palma und Teneriffa. Dabei stellten sie fest, dass sich verschränkte Teilchen auf beiden Inseln – 143 Kilometer voneinander entfernt – gleich verhalten. Quantenphysiker illustrieren das gerne mit einem Beispiel: Das wäre so, als ob Sie auf Teneriffa einen Würfel werfen und ein zweiter Würfel in La Palma zeigt ohne fremdes Zutun immer dieselbe Augenzahl. Weil man das Phänomen mit klassischer Physik nicht erklären kann, arbeiten die Quanten-Forscher statt mit Würfeln mit Lichtteilchen, z. B. Photonen.

Zufallsgenerator

Bei den Experimenten muss sich die Messanordnung völlig zufällig ändern. Bisher übernahmen das Maschinen. Doch auch hier blieben wissenschaftliche Zweifel, sagt Quantenforscher Scheidl: "Ein Zufallsgenerator ist auch nichts anderes als ein vorprogrammiertes Gerät, das prinzipiell so eingestellt sein könnte, dass die Teilchen genau wissen, was sie tun müssen." Darum sind die Physiker auf den freien Willen des Menschen gekommen und haben ein Event ins Leben gerufen, "um die breite Öffentlichkeit, am Experiment teilhaben zu lassen", wie Scheidl sagt – den Big Bell Test zum Nachweis der Verschränkung von Teilchen: Elf Institute rund um den Globus beteiligen sich, darunter auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften.

Die Idee geht zurück auf den nordirischen Physiker John Bell, der 1964 vorschlug, man möge Menschen und ihren freien Willen einsetzen, um eine völlig zufällige Anordnung der Messbasis zu bekommen. Groß ist der Big Bell Test auch aus einem anderen Grund. Damit der Versuch gelingt, müssen mindestens 30.000 Menschen auf der ganzen Welt am 30. November mitmachen. Das dürfte aber kein Problem sein. Nachdem man den Big Bell Test global angekündigt hatte, konnte sich das Institut der Uni Sevilla, das die Aktion koordiniert, schlagartig über Tausende neue User freuen – jene Masse an Menschen, die es braucht, um die bisher verwendeten Zufallsgeneratoren zu ersetzen.

Wer sein Talent zur "Zufälligkeit" bereits jetzt testen will, kann das ab sofort unter thebigbelltest.org tun und das Spiel ausprobieren. Ein bisschen Üben vor dem "Big Bell Day" kann ja nicht schaden.

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