Testpatienten: "Ein System à la DDR"

Gegen den Einsatz von Testpatienten gibt es seitens der Kammer massive Bedenken
Die Ärztekammer wettert gegen "Spitzel" in Ordinationen

Immer teurere Therapien und eine wachsende Zahl von älteren Menschen sorgen dafür, dass das Gesundheitssystem finanziell an allen Ecken und Enden kracht. Darin sind sich die Experten einig. Doch wie weit darf im Sinne des Spargedankens die Kontrolle der ärztlichen Tätigkeit gehen? Darüber tobt aktuell ein heftiger Streit zwischen Ärzten und Politik.

Stein des Anstoßes ist das so genannte Mystery Shopping, zu dem die Sozialversicherungen seit Jahresbeginn gesetzlich ermächtigt sind, um Kassenordinationen zu kontrollieren. Sie können damit künftig Testpatienten – auch mit eCards samt erfundenen Identitäten – ausschicken um zum Beispiel zu überprüfen, ob Ärzte Patienten aus reiner Gefälligkeit krankschreiben oder Arzneien ohne nötige Untersuchung verschreiben.

"Frontalangriff"

"Das ist ein Frontalangriff auf das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten", wettert Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart. Ein derartiges Spitzelwesen habe in Österreichs Gesundheitswesen nichts verloren, sagt der Ärztevertreter und spricht von einem "System à la DDR 2.0".

Mit einer Info-Offensive will die Kammer jetzt Patienten und Ärzte auf die möglichen negativen Auswirkungen dieser Maßnahme hinweisen. Zugleich will man sie über den Verfassungsgerichtshof zu Fall bringen.

Die Liste der Bedenken der Ärzte ist lang: Die Kassenspitzel würden durch ihr Verhalten beim Arzt mit voller Absicht einen falschen Eindruck erwecken, um zu sehen, wie er regiert, warnt Steinhart. "Zum Beispiel, indem sie sich als krank ausgeben, um eine Krankschreibung zu erwirken, die dem Arzt zum Vorwurf gemacht werden kann." Dabei hätten die Kassen jetzt schon genügend Möglichkeiten, krankgeschriebene Patienten zu kontrollieren. "Mit dem Mystery Shopping wird hingegen die gesamte Ärzteschaft unter Generalverdacht gestellt." Zumal die entsprechende Richtlinie eine stichprobenartige Überprüfung vorsehe. Steinhart bezweifelt aber auch den ökonomischen Nutzen: "So betrug etwa bei der WGKK 2014 der durch eCard-Betrug entstandene Gesamtschaden gerade einmal 1695,79 Euro."

"Es gibt Verdachtsfälle, die sich nicht anders prüfen lassen", verteidigt ein Sprecher des Hauptverbands die Regelung. Er verweist auf das Beispiel der WGKK, die schon seit 2011 Testpatienten einsetzt. 14 Mal wurde seither geprüft, in elf Fällen erhärteten sich die Verdachtsmomente. Drei Kassenverträge wurden mittlerweile rechtskräftig gekündigt. Es ging dabei um Krankenstandsschummeleien und die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen. In einem Fall wurde etwa eine Testpatientin vom Arzt krankgemeldet, obwohl sie ihm gegenüber unzweifelhaft angab, dass sie nicht krank sei, aber keine Lust auf einen bevorstehenden AMS-Kurs habe.

Zudem sollten nur Ärzte in die Stichprobe fallen, bei denen schon Auffälligkeiten festgestellt wurden, betont der Sprecher. Auf diese wenigen schwarzen Schafe ziele die Maßnahme ab – etwa Ärzte, bei denen ein Anruf bei der Sprechstundenhilfe für eine Krankschreibung reiche. "Das ist ein schwerer Verstoß des Arztes gegen den Vertrag, den er mit der Kasse abgeschlossen hat."

Rückendeckung erhält der Hauptverband auch von Gerald Bachinger, Sprecher der Arge Patientenanwälte: Immer wieder gebe es Gerüchte über Gefälligkeitskrankschreibungen. "Sie beschädigen das Image der Ärzte. Es soll daher in ihrem Interesse sein, solche Gerüchte zu zerstreuen", sagte er zuletzt im KURIER.

Ausweispflicht

Bei der Ärztekammer kann man dieser Argumentation nicht folgen. Um sich rechtlich gegen "Ordi-Spitzel" abzusichern, empfiehlt sie den Ärzten, bei nicht bekannten Patienten konsequent einen Ausweis zu verlangen. Kann der Patient sich nicht ausweisen, soll – außer in Notfällen – die Behandlung abgelehnt werden. Im Zweifelsfall sollen sie für Krankschreibungen an die Kasse verwiesen werden. Im Hauptverband hat man dafür kein Verständnis: "Damit wird man sich nur den Ärger der Patienten aufhalsen."

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