Suizid: Welche Rolle die Arbeitslosigkeit spielt
Arbeitslosigkeit macht krank – und kann im schlimmsten Fall bis zur Selbsttötung führen. Laut einer aktuellen Studie von Forschern der Universität Zürich, die im Fachmagazin The Lancet Psychiatry erschienen ist, steht sogar jeder fünfte Suizid weltweit direkt oder indirekt in Zusammenhang mit Jobverlust.
Das erscheint naheliegend, aber Experten warnen vor Vereinfachungen nach dem Prinzip "Ursache und Wirkung". "Arbeitslosigkeit kann sicher einer von vielen Einflussfaktoren sein, aber ein Suizid hat immer mehrere Auslöser", sagt Josef Missethon, Leiter des Instituts für Suizidprävention in Graz.
Die existenzielle Bedeutung des Jobverlusts für die Gesundheit wurde schon in früheren Studien festgestellt. Die Schweizer Forscher verwendeten für ihre neue Studie allerdings Daten aus 63 Ländern aus den Jahren 2000 bis 2011. "In allen Weltregionen war das Suizidrisiko um 20 bis 30 Prozent erhöht", schreiben die Autoren um Carlos Nordt. Besonders auffällig: Von 2008 auf 2009 stieg die Zahl um knapp 5000 an. Dies deute auf eine Übersterblichkeit aufgrund der Wirtschaftskrise hin.
Doch Österreich ist offenbar anders. "Im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Ländern ging die Arbeitslosigkeit in Österreich und Deutschland nach 2009 wieder zurück", betont Claudius Stein, ärztlicher Leiter des Wiener Kriseninterventionszentrums. "Zwischen 2008 und 2012 blieben auch die Suizidzahlen relativ konstant. Seit Mitte der 1980er-Jahre gingen sie überhaupt um 40 Prozent zurück." In einer 2009 ebenfalls in The Lancet veröffentlichten Studie führten dies die Autoren um David Stuckler auf das gute soziale Netz und die aktive Arbeitsmarktpolitik zurück. "Es geht darum, sich um diese Menschen zu kümmern."
Perspektiven bieten
In der Praxis heißt das, Perspektiven zu bieten – auch wenn man allgemeinen, gesellschaftlichen Entwicklungen nicht entgegenwirken könne. Stein ist überzeugt, dass das private Umfeld daher eine wesentliche Rolle spielt. "Wir wissen: wer in ein gutes soziales Netz eingebunden ist, kann besser mit Krisen umgehen."
Familie, Freunde und Bekannte sieht Missethon überhaupt als "die wirklichen Krisenhelfer". Stein empfiehlt, "immer wieder auf den Betroffenen zugehen. Und nicht aufgeben – auch wenn das Gespräch mehrfach abgelehnt wird." Missethon will noch viel früher ansetzen. "Wichtig ist der Aufbau von Krisenkompetenz. Mit zielgerichteten Präventionsprojekten lässt sich sehr viel erreichen."
- Telefonseelsorge: 142 (0-24h), www.telefonseelsorge.at
- Institut für Suizidprävention: www.-hilfe-in-der-krise.at
- Kriseninterventionszentrum Wien 01/406 95 95, www.kriseninterventionszentrum.at
Psychosoziale Dienste
- Psychosozialer Notdienst Wien (0-24 h) 01/313 30, www.psd-wien.at
- NÖ Krisentelefon (0-24 h) 0800/202016
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