"Antibakterielle" Seife ist ein Verkaufsschmäh
Pünktlich zur kälteren Jahreszeit wird wieder gehustet und geschnäuzt. Aus Angst, sich anzustecken, greifen viele zu Seifen und Waschlotionen mit der Aufschrift „Antibakteriell“ oder „Schützt vor Bakterien“. Tatsächlich werden die meisten Infektionskrankheiten über die Hände übertragen. Diese spezielle, desinfizierende Seife braucht es aber nicht, um Keime abzutöten, wie eine aktuelle Studie der Korea University zeigt.
Die Forscher untersuchten Seifen, die den Wirkstoff Triclosan enthalten. Dieser hemmt das Wachstum von Bakterien und wird weltweit am häufigsten in Hygieneprodukten wie Seife, Zahnpasta und Mundwasser beigemengt. Die Forscher versetzten triclosan-haltige sowie normale Seife mit 20 Bakterien, darunter Salmonellen, Listerien und Escherichia coli. Die Proben wurden für 20 Sekunden auf 22 Grad erhitzt, um Händewaschen mit warmem Wasser zu simulieren. Das Ergebnis: Antibakterielle Seife verringerte die Erreger nicht besser als normale.
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„Die Industrie verwendet Desinfektionsmittel wie Triclosan, um die Haltbarkeit von Kosmetika, Seifen und ähnlichen Produkten zu erhöhen. Für den Konsumenten hat dies aber keinen Nutzen. Dass die Mittel antibakteriell auf der Haut wirken, ist ein Verkaufsschmäh“, sagt Hanns Moshammer vom Institut für Umwelthygiene an der MedUni Wien. Bakterien, die für den Menschen potenziell gefährlich sind, sitzen im Schmutz, der sich auf Händen ansammelt und können genauso gut mit normaler Seife abgewaschen werden.
Das zeigte sich auch in der koreanischen Studie: Die Forscher versetzten in einem weiteren Schritt die Hände von Versuchsteilnehmern mit Bakterien und ließen sie mit antibakterieller oder normaler Seife waschen. Auch hier fanden sie keinen signifikanten Unterschied.
Gleich häufig krank
Vorhergehende Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. In einer groß angelegten amerikanischen Untersuchung der New Yorker Columbia University verwendeten 238 Familien ein Jahr lang entweder antibakterielle Seifen mit Triclosan oder normale Seifen. Sämtliche untersuchte Krankheiten traten in beiden Haushalten etwa gleich häufig auf – egal, welche Seifen sie verwendeten.
Umweltmediziner Hanns Moshammer sieht den Einsatz des Desinfektionsmittels auch aus gesundheitlichen Gründen kritisch. „Die größte Sorge ist, dass Bakterien Resistenzen entwickeln, wenn Konservierungsmittel wie Triclosan verwendet werden. Da die Bakterien nicht abgetötet werden, sondern ihr Wachstum lediglich gehemmt, beginnen sie sich zu wappnen. Nach dieser Methode gelingt es ihnen dann auch leichter, sich gegen Antibiotika zu schützen“, meint Moshammer. Bakterien können diese Fähigkeit zur Resistenzbildung untereinander weitergeben, sodass über antibakterielle Hygieneprodukte resistente Keime gezüchtet werden.
Umweltschädlich
Die desinfizierenden Chemikalien sind auch deshalb umstritten, da sie das Ökosystem von Gewässern beeinflussen und kaum auf natürlichem Weg abgebaut werden können. Beim Abwaschen von der Haut gelangen sie ins Abwasser. Laut Proben des deutschen Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung hat die Konzentration des Stoffes im Einzugsgebiet der Elbe bedenkliche Werte bereits überschritten.
Auf die Hautflora hat Triclosan laut Moshammer keinen schädlichen Einfluss. Die Substanz kann in den üblichen Mengen die „guten“ Bakterien, die den Säureschutzmantel der Haut bilden, nicht entfernen. Allerdings wird sie vom Körper aufgenommen und konnte z.B. im Harn nachgewiesen werden. Es gibt Hinweise darauf, dass Triclosan im Körper ähnlich wirkt wie das weibliche Geschlechtshormon Östrogen, allerdings in abgeschwächter Form.
Auch andere Stoffe, die Produkten beigemengt werden, um sie als „antibakteriell“ zu bewerben, sind problematisch. Sie können teilweise allergische Reaktionen auslösen. Unbestritten ist nur der positive Effekt von Händewaschen, insbesondere nach dem Toilettengang oder dem Hantieren mit rohem Fleisch. Idealerweise für 20 Sekunden lang und mit Seife, da sie Keime und Schmutz besser löst als reines Wasser. So werden auch andere Erreger wie Viren entfernt, gegen die Triclosan ohnehin nicht wirken kann.
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