Fortpflanzung: Wenig Lust, viel Streit

Unterschiedliche Sichtweisen: Heinz Strohmer, Leiter des Kinderwunschzentrums Goldenes Kreuz, und Martina Kronthaler (Aktion Leben)
Reproduktionsmediziner und Aktion-Leben-Vertreterin über Embryo-Diagnostik und Kinderrechte.

Dammbruch oder nur überfällige Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen? Martina Kronthaler,Generalsekretärin der Aktion Leben, und Heinz Strohmer,Leiter des Kinderwunschzentrums Goldenes Kreuz, über den Entwurf zum neuen Fortpflanzungsmedizingesetz.

KURIER: Wie beurteilen Sie den Entwurf?

Kronthaler:Wir waren über einige Punkte extrem überrascht, etwa, dass die Eizellspende erlaubt werden soll – diese ist in Österreich noch kaum diskutiert worden. Kinderärzte waren in die Gesetzeswerdung nicht eingebunden, obwohl sie zu den größten Kritikern der Auswüchse der Kinderwunschbehandlungen zählen. Kinderrechte werden in diesem Entwurf geringer geachtet als andere.

Strohmer:Die Eizellspende wird nur mit sehr starken Einschränkungen erlaubt. Die Überschriften des Gesetzes sind liberal, aber die Durchführungsbestimmungen sind konservativ. Die Eizellspende aber auch die Präimplantationsdiagnostik (PID, genetische Untersuchung eines künstlich befruchteten Embryos vor der Implantation) sind nur für eine sehr kleine Personengruppe geöffnet worden. Das ist ganz sicher kein Dammbruch.

Bedeutet eine Eizellspende ein Gesundheitsrisiko?

Kronthaler:Eine gesunde, fruchtbare junge Frau wird dadurch zur Patientin gemacht und soll sich einer anstrengenden und schmerzhaften Hormonstimulation unterziehen. Ohne Notwendigkeit sollte man sich dieser nicht aussetzen. Die physischen und psychischen Folgen der Eizellspende sind noch kaum erforscht. Die Empfängerin gespendeter Eizellen ist eine Hochrisikopatientin: Schwangerschafts-Bluthochdruck und Präeklampsie (Hochdruck, zu viel Eiweiß im Harn) kommen signifikant öfter vor. Das maximale Alter von 45 für die Empfängerin ist zu hoch. Erfahrungen anderer Länder zeigen, dass es zu wenige Spenderinnen aus dem Familienkreis gibt. Frauen, die gut aufgeklärt sind und nichts bezahlt bekommen, spenden kaum. Also wird es Aufwandsentschädigungen geben – in Spanien etwa ein Anreiz für Migrantinnen. Wir sollten Frauen sagen, wie sie ihre Gesundheit schützen können und nicht, wie sie sie gefährden. Der Kinderwunsch ist verständlich, aber er wird auch um den Preis durchgesetzt, dass es anderen schlechter gehen kann.

Strohmer: Die gleiche Behandlung wie bei Eizellspenderinnen – Hormonstimulation, Eizellentnahme – findet in Österreich täglich bei Frauen statt, denen wir die Eizellen für eine künstliche Befruchtung mit dem Samen ihres Partners entnehmen. Wenn das so riskant oder schmerzhaft wäre, könnten wir das nicht tun. Die Reproduktionsmedizin ist sehr sicher geworden – kein Vergleich zu vor 20 Jahren. Hormonelle Überstimulationen etwa sind heute extrem selten und die absolute Ausnahme. Es gibt keine negativen Langzeitfolgen der Eizellspende. Und die etwas erhöhte Frühgeburtenrate im Rahmen einer IVF (künstliche Befruchtung) hängt mit den Grundkrankheiten und dem erhöhten Alter dieser Patientengruppe zusammen. Das Beispiel mit Migrantinnen aus Spanien ist ein Killerargument, weil das auf Österreich nicht zutreffen wird. Wir sprechen hier über die künftige Situation in Österreich, und die wird sie sich auf Verwandten- und Bekanntenspenden beschränken. Da werden sich Spenderin und Empfängerin ihren Schritt gut überlegt haben. Wir dürfen keine Spenderinnen vermitteln und kein finanzielles Geschäft machen.

Ist es ethisch gerechtfertigt, Embryonen in bestimmten Fällen auf Erbleiden zu untersuchen?

Strohmer:Wenn Sie die Bestimmungen lesen, die für eine PID Voraussetzung sind, dann ist das eine Beschreibung des Leides von Frauen, die zum Beispiel drei Fehlgeburten oder drei Kürettagen hinter sich haben. Ich begrüße es, dass für solche Paare endlich die PID möglich wird.

Kronthaler: Auch wir wollen nicht, dass einer Frau ein Embryo eingesetzt wird, der sich nicht weiterentwickeln wird. Aber die Gedanken der Genetiker gehen schon weiter. Es wird bereits davon gesprochen, dass man darüber nachdenken muss, auch auf ein erhöhtes genetisches Brustkrebsrisiko zu untersuchen. Das wird in England schon länger gemacht. Daran sieht man: Die Tür steht offen und die ersten wollen schon durch diese Tür hindurch gehen. Und die PID ändert auch klimatisch etwas: Es besteht die Gefahr, dass dieses Gesetz zusätzliches Leid bei Menschen mit Behinderungen schaffen könnte. Manche fühlen sich infrage gestellt und als "vermeidbar".

Strohmer: Eine Kommission wird jede einzelne Anwendung der Präimplantationsdiagnostik überprüfen. Sie werden niemanden in so einer Kommission finden, der sagt, ja, testen wir Embryos auf ein erblich stark erhöhten Brustkrebsrisiko, wie es bei Angelina Jolie vorgelegen ist. Trotzdem dürfen sich Genetiker Gedanken machen, wo die Reise in 20 Jahren hingehen könnte – aber das ist jetzt kein Thema. Mit mangelnder Anerkennung von behinderten Menschen hat das nichts zu tun: Für sie muss alles an Unterstützung geleistet werden, was nur möglich ist – die PID wird daran nichts ändern.

Hat es Auswirkungen auf die Kinder, wenn Samen- oder Eizelle von Spendern stammen?

Kronthaler: Die wenigsten Kinder erfahren das und wachsen mit einem Familiengeheimnis auf. Wir wissen aus der Adoptionsforschung, dass Familiengeheimnisse belastend sind. Den Kindern wird ein Teil ihrer Herkunft vorenthalten – das widerspricht den Kinderrechten. Deshalb sollten Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder in einem gewissen Alter über die Spende kindgerecht aufzuklären – und sie sollten auf diesem Weg auch begleitet und unterstützt werden.

Strohmer: Diese Kinder wachsen ganz normal auf, so wie andere auch. Ob ein Paar es seinem Kind mitteilt, liegt in dessen Autonomie. Hier vertraue ich auch auf das Gefühl, das Einfühlungsvermögen und die Intelligenz der Eltern.

Das Alter bei der ersten Geburt (29) steigt weiter an. Was tun?

Strohmer: Zu uns kommen immer wieder Paare mit 38, die sagen, uns war nicht bewusst, dass bereits mit 33 die Fruchtbarkeit deutlich nachlässt.Ich gehe in Schulen halte Vorträge. Wir müssen viel mehr aufklären.

Kronthaler:Auch die Männer, die immer später dazu bereit sind, Vater zu werden. Wir müssen es, etwa mit besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie, leichter machen, in der fruchtbaren Lebensphase Kinder zu bekommen.

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