Engpässe bei Strahlentherapie: „Wir verlieren Menschenleben“
Vier Wochen Wartezeit auf eine Strahlentherapie sind für Krebspatienten eine Ewigkeit. Aber es ist nicht nur das: Alle vier Wochen sinken die Chancen auf Heilung um zehn bis 20 Prozent. "Brustkrebs- und ProstatakrebspatientInnen müssen im Schnitt sogar zwei bis drei Monate auf eine Behandlung warten, bei allen anderen Tumorarten sind es drei bis vier Wochen", sagte Montag Richard Pötter, Leiter der Uni-Klinik für Strahlentherapie an der MedUni Wien anlässlich des Europäischen Radio-Onkologenkongresses in Wien. "Die Vorteile, die wir Patienten durch den Fortschritt bei den Therapien anbieten können, werden durch diese Wartezeiten wieder aufgehoben." – "Wir verlieren Menschenleben", sagte der Strahlenmediziner Robert Hawliczek (SMZ-Ost Wien). "Die Wartezeiten liegen weit über jeglicher Toleranzgrenze."
Laut den Qualitätskriterien des Österr. Strukturplans Gesundheit (ÖSG) sollte für je 100.000 bis 140.000 Einwohner ein Strahlentherapiegerät (Linearbeschleuniger) in einem Spital zur Verfügung stehen – das wären 60 bis 85 Geräte. Tatsächlich sind es derzeit österreichweit aber nur 43. "Nur Vorarlberg, Tirol und Salzburg erfüllen derzeit diese Qualitätskriterien", sagt Karin Kapp, Leiterin der Uni-Klinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der MedUni Graz und Präsidentin der Gesellschaft für Radioonkologie.
Wien und die Steiermark seien besonders von Engpässen betroffen, so Kapp: "In Wien werden 30 Prozent der nö. Patienten versorgt." Laut Hawliczek müsste Niederösterreich eine ähnliche Gerätezahl wie Wien – derzeit elf, geplant seien 12 bis 14 – haben: Tatsächlich seien es aber in NÖ nur fünf, eines gehöre überdies dem Burgenland.
"Kein Ersatz"
Das geplante Therapiezentrum "MedAustron" in Wiener Neustadt für spezielle Behandlungen sei kein Ersatz: "Dieses Zentrum ist überregional von Bedeutung, aber nicht für die regionale Versorgung." Im NÖ Gesundheits- und Sozialfonds verweist man auf den Großgeräteplan des Bundes: "Dort sind sechs Geräte für Niederösterreich vorgesehen – diese Zahl erreichen wir ab Herbst", so der stv. Geschäftsführer Klaus Schuster. Sollte sich der Bedarf an Geräten erhöhen, müsste der Bund den Großgeräteplan anpassen: "Das würden wir dann berücksichtigen."
Die steirische Krankenhausgesellschaft KAGes erklärte, dass die Steiermark "ausreichend mit Strahlentherapiegeräten versorgt" sei.
Klinik-Chef Pötter: "In vielen westeuropäischen Ländern gab es in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs bei den Kapazitäten um 100 Prozent – aber bei uns geht es tendenziell sogar eher zurück mit den Kapazitäten." Einen Mangel gebe es aber auch bei den Ausbildungsstellen für Radio-Onkologen, sagte Kapp.
50 Prozent aller Tumorpatienten können heute geheilt werden. Bei mehr als der Hälfte (26 %) ist die Radiotherapie an der Heilung beteiligt. "12 Prozent aller Heilungen gehen ausschließlich auf die Strahlentherapie zurück", sagte Kapp.
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