„Staat hält Finanzmittel für Suchtprävention zurück“

„Staat hält Finanzmittel für Suchtprävention zurück“
Der Staat verdiene massiv am Konsum von Alkohol und Tabak, tue aber zu wenig für Abhängige.

„Die Einnahmen aus dem Verkauf von Alkohol und Zigaretten sowie die Abgaben auf das Glücksspiel übersteigen die volkswirtschaftlichen Kosten von Alkohol-, Drogen- und Spielsucht sowie des Rauchens jährlich um knapp 1,5 Milliarden Euro.“ Das ist die Kernaussage einer neuen Untersuchung des Consulting-Unternehmens Kreutzer Fischer & Partner, die Dienstag in Wien präsentiert wurde.

„Trotz der hohen Einnahmen weigert sich der Staat, ausreichende finanzielle Mittel für Suchtforschung und Suchtprävention bereitzustellen“, so Andreas Kreutzer. Bisherige Untersuchungen waren immer davon ausgegangen, dass die sozialen Folgekosten höher sind als die Einnahmen.

„In Österreich sind die Strukturen und Strategien in der Suchttherapie veraltet, es gibt eine mangelhafte Versorgung der Patienten und viele Fehlsteuerungen, Doppelgleisigkeiten und Parallelstrukturen“, kritisierte Univ.-Prof. Gabriele Fischer, Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien. Die Suchtforschung sei eher „Eminenz-basiert“ (auf persönlichen Ansichten einzelner Experten) – statt „Evidenz-basiert“ (auf Basis wissenschaftlicher Leitlinien). Überdies existiere kein statistisch belastbares Datenmaterial mit ausreichend großen Stichproben über die Häufigkeit der Alkoholkrankheit, Drogen- und Spielsucht. Laut Kreutzer seien die fünf Prozent der Österreicher, die laut offiziellen Zahlen alkoholabhängig sind, aus einer Fallzahl von nur 50 Personen hochgerechnet worden: „Selbst die Einführung einer neuen Geschmacksrichtung bei Fruchtjoghurt ist besser abgesichert.“ Dies führe dazu, dass der Anteil an Abhängigen in Österreich offiziell doppelt so hoch wie in Deutschland sei – „das ist völlig unplausibel“.

Andere mit Alkoholstatistik befasste Experten weisen die Kritik zurück: Die Schätzung basiere auf Behandlungszahlen, in Deutschland und Österreich komme man – wenn man vergleichbare Methoden anwende – zu gleichen Ergebnissen. Bei Umfragen hingegen werde es – egal, wie viel Befragte es gibt – immer Ungenauigkeiten geben, da viele das Ausmaß des Konsums nicht zugeben.

Umstrukturierungen

Bei der „Sucht- und Drogenkoordination Wien“ heißt es zur Kritik von Fischer, dass seit 2007 kontinuierlich Umstrukturierungen im Sucht- und Drogenbereich durchgeführt werden, um Parallelstrukturen zu vermeiden. Verschiedene Bereiche hätten verschiedene Aufgaben, die Angebote selbst seien auf dem neuesten Stand. In den kommenden Jahren sollen in Wien die Behandlungsangebote für Alkoholkranke deutlich ausgebaut werden.

Fischer fordert auch, dass das Thema Sucht in der Politik in den Bereich „Mental Health“ – psychische Gesundheit – integriert wird. „Sucht ist eine chronisch psychiatrische Erkrankung, die Betroffenen haben keine Lobby und sind selbst in der Psychiatrie das Schlusslicht.“ Man müsse auch wegkommen von den neun unterschiedlichen Systemen der Bundesländer. Reaktion des Gesundheitsministeriums: 2014 soll eine bundesweit einheitliche Suchtpräventionsstrategie veröffentlicht werden.

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