Eine Sprechstunde - nur für Eifersüchtige

Frauen und Männer sind im gleichen Maße eifersüchtig - mit anderen Auswirkungen
Seit 17 Jahren können sich eifersüchtige Menschen und deren Angehörige an den Universitätskliniken Innsbruck beraten lassen.

An die 1500 Menschen haben bei Oberarzt Harald Oberbauer bereits Hilfe gesucht. An der Allgemeinen Psychiatrischen Ambulanz berät er im Rahmen einer eigenen Sprechstunde krankhaft Eifersüchtige und Angehörige. "Die Betroffenen kommen primär aus dem Tiroler Raum, aber auch aus ganz Österreich sowie aus dem angrenzendem deutschsprachigen Raum", so Oberbauer im KURIER-Gespräch.

Permanentes Checking

Eine Sprechstunde - nur für Eifersüchtige
Der Bedarf ist offensichtlich da – doch wie merkt ein Mensch, dass seine Eifersucht pathologische Züge trägt? "Eifersucht ist an sich etwas Normales, Liebes und durchaus Beziehungsförderndes. Pathologisch oder krankhaft wird sie dann, wenn die Lebensqualität eines Eifersüchtigen oder die Lebensqualität des Partners, auf den sich die Eifersucht bezieht, zu leiden beginnt", sagt Oberbauer. In so einem Fall dreht sich gedanklich alles nur mehr um dieses eine Thema. Der Tag ist erfüllt vom Phänomen des Checkings (ständiges Kontrollieren). "Betroffene müssen ununterbrochen daran denken, ob ihr Partner sie betrügt", sagt der Psychiater. Außerdem hat Eifersucht körperliche Auswirkungen: "Das können zum Beispiel – ähnlich wie bei Depressionen – Kopfweh, Herzrasen und Übelkeit sein. Dazu kommen Angstsymptome. Eifersucht ist ein Cocktail aus komischen Gefühlen, aus Begierde, Hass, Wut, aus vielem. Und natürlich können körperliche Symptome bei schwer Eifersüchtigen zu aggressivem Ausagieren führen. Das geht bis zu Mord."
Eine Sprechstunde - nur für Eifersüchtige
Portrait Harald Oberbauer, Facharzt fuer Psychiatrie am Uniklinikum in Innsbruck. Oberbauer leitet die bislang einzige Eifersuchtsambulanz. © 2015 Thomas Dashuber / Agentur Focus.
Experten gehen davon aus, dass die pathologische Eifersucht ein sogenanntes "Epiphänomen ist" – das erklärt Oberbauer so: "Es handelt sich dabei um ein aufgesetztes Phänomen auf eine Grundstörung. Diese kann etwa eine Depression sein, genauso wie Alkoholsucht, eine Angst- und Zwangserkrankung sowie, speziell bei Männern, Störungen der Erektion oder Ejakulation. In diesem Fall wird befürchtet, dass man seinen Mann nicht mehr stehen kann und die eigene Frau sich deshalb woanders Befriedigung sucht. Im Rahmen eines Erstgesprächs an der Ambulanz gilt es herauszufiltern, welche Person da vor mir sitzt, um auf Basis der Grundstörung eine entsprechende Therapie zu finden."

"Ich genüge nicht"

Eifersucht ist in vielen Fällen auch ein Selbstwertthema – Motto: "Ich bin nicht schön, ich bin nicht sexy, ich bin nicht klug genug." Das trifft Frauen und Männer gleichermaßen: "Da gibt es keinen signifikanten Unterschied. Nur beim Ausagieren ist das etwas anderes. Tendenziell neigen Frauen eher dazu, den Grund des Fremdgehens ihres Partners eher bei sich zu suchen. Männer suchen die Schuld überall, nur nicht bei sich selbt.

Ein wesentlicher Punkt sei die Verlustangst der Betroffenen. Dazu kommt die Digitalisierung, die mehr denn je zu Misstrauen und Eifersucht verführt: "Heute kann ich mich in das Smartphone meines Partners einloggen, Ortungsdienste aktivieren, man wird durch WhatsApp-Nachrichten oder Facebook-Freunde verwirrt. Für Eifersüchtige ist das kein Segen. Ich kenne viele, die sperren bewusst ihren Facebook Account, um nicht in Versuchung zu kommen, nachzuforschen."

Info: tirol-kliniken.at

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