Sonnencreme aus Ocker: Wie sich unsere Vorfahren vor der Sonne schützten

Sonnenschutz, Kleidung und Höhlen könnten dem Homo sapiens vor 41.000 Jahren das Überleben ermöglicht haben.
Seit einigen Jahrzehnten steigt die Zahl der Sonnenstunden in unseren Breiten stetig – und damit auch jene Zeit, in denen der Mensch UV-Strahlung ausgesetzt ist. Vor rund 41.000 Jahren war die UV-Belastung auf der Erde aufgrund geologischer Ereignisse aber noch bedeutend stärker. Der Schutz gegen die insbesondere für Haut und Augen schädlichen unsichtbaren Strahlen war umso wichtiger.
Eine neue Studie aus den USA zeigt nun: Unsere frühen Vorfahren wussten sich wohl zu wappnen. So griff der Homo sapiens womöglich gleich auf mehrere Strategien zum Sonnenschutz zurück.
Schatten bis Sonnenschutzmittel
Neben dem verstärkten Rückzug in Schatten spendende Höhlen schlüpften die Erdbewohner in maßgeschneiderte Kleidung und griffen sogar auf Sonnenschutzmittel zurück.
Letztere wurden aus Ocker hergestellt, einer natürlich vorkommenden Erdfarbe bestehend aus eisenhaltigen Mineralien und Ton. "Es gibt einige experimentelle Tests, die zeigen, dass es sonnenschutzähnliche Eigenschaften hat – es scheint ein ziemlich wirksames Sonnenschutzmittel zu sein", beschreibt Studienleiterin und Anthropologin Raven Garvey von der US-Universität Michigan die sonnenschützenden Eigenschaften des Minerals.
Eine Theorie, die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher von der Universität Wien für durchaus plausibel hält: "Den Einsatz von Ocker als Sonnenschutz kennen wir auch aus aktuellen Jäger-und-Sammler-Kulturen", sagt die Expertin im KURIER-Gespräch.
Auch die Herstellung besserer Kleidung könnte durch die Periode intensiverer Sonneneinstrahlung angetrieben worden sein, mutmaßt die Forschungsgruppe um Garvey. So wurden an archäologischen Stätten, die von Homo sapiens bewohnt wurden, Werkzeuge zur Herstellung maßgeschneiderter Kleidung gefunden, Nadeln oder Ahlen (Werkzeug zum Durchstechen oder Weiten von Löchern, Anm.) etwa. Neben dem überlebenswichtigen Schutz vor Kälte könnte an Gliedmaßen angepasste Kleidung einen relevanten Schutz vor UV-Strahlung geboten haben. Und zwar besser als etwa nur locker über den Körper gelegte Felle.
Verhaltensänderungen in der Menschheitsgeschichte erklären
"Es ist immer spannend, wenn man für Verhaltensänderungen in der Menschheitsgeschichte schlüssige Erklärungen vorschlägt", ordnet Verhaltensforscherin und Anthropologin Katrin Schäfer von der Universität Wien die Erkenntnisse ein. "Wenn es also zum Beispiel tatsächlich einen klaren Unterschied in der Komplexität der Bekleidung gibt, der mit der Phase der intensiveren UV-Belastung in Zusammenhang gebracht werden, kann, ist das eine tolle Sache."
Ob die Adaption von Kulturtechniken wirklich auf klimatische Bedingungen zurückzuführen ist, sei retrospektiv schwierig zu beurteilen, sagt Oberzaucher. "Nur weil Dinge gleichzeitig auftauchen, haben sie nicht unbedingt ursächlich miteinander zu tun. Wenn man in die Vergangenheit zurückschaut, kann man Dinge nie zu 100 Prozent miteinander verknüpfen."
Unklar sei laut Schäfer, wie stark die kosmische Strahlung in besagtem Zeitraum genau war – "und wie sie sich konkret auf den Menschen – und auch auf die Tierwelt – ausgewirkt hat. Ob die erhöhte UV-Strahlung also relevante Folgen für das Überleben und damit tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf das Leben der frühen Menschen hatte", sagt Schäfer.
Sich vor Sonneneinstrahlung zu schützen, "war für unsere Vorfahren jedenfalls ein großes Thema", weiß Oberzaucher. Neben den in der neuen Studie besprochenen Techniken entwickelten sich im Laufe der Evolution auch anatomische Antworten: "Zum Beispiel ist uns das Haupthaar erhalten geblieben, um den Schädel vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen, während sich die Körperhaare reduziert haben, damit wir uns besser durch Schwitzen kühlen können", führt die Expertin aus.
Auch die Entwicklung des aufrechten Gangs dürfte zumindest teilweise aus Sonnenschutzgründen erfolgt sein: "Wenn die Sonne im Zenit steht, ist, wenn man aufrecht steht, weniger Körperfläche der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt, als wenn man auf allen vieren geht", schildert Oberzaucher.
Neandertaler weniger kompetent beim Sonnenschutz?
Interessant: Laut den US-Forschungen verfügte der Neandertaler nicht über die genannten UV-Schutz-Strategien. Womöglich ein evolutionärer Nachteil und Mitgrund, warum die Neandertalerpopulation zur Zeit der intensiveren UV-Belastung allmählich verschwand, während sich die Gattung Homo sapiens in Europa und Asien ausbreitete. "Welche Unterschiede zwischen diesen Arten (…) für dieses Verschwinden verantwortlich sein könnten, ist seit Jahrzehnten eine wichtige anthropologische Frage", beschreibt Studienautorin Garvey.
Tatsächlich seien Neandertaler anatomisch besser an Kälte als an Hitze angepasst gewesen, sagt Oberzaucher. "Neandertaler werden genetischen Analysen zufolge mit hellerer Haut und roten Haaren in Verbindung gebracht und wären damit per se empfindlicher gegenüber UV-Strahlung", betont auch Schäfer. Dass mangelnde Fertigkeiten im Umgang mit UV-Strahlung zu einem Verschwinden der Neandertalerpopulationen beigetragen haben könnten, sieht Oberzaucher kritisch: "Ich denke nicht, dass die Neandertaler per se weniger kompetent im Umgang mit der Sonne wahren."
Auch sei die Theorie ihres Aussterbens inzwischen widerlegt: "Was die Koexistenz von Homo sapiens und Neandertalern betrifft, ist lange ausgeschlossen worden, dass es genetische Vermischung gab."
Neuere Studien zeigen allerdings: Neandertaler und Homo sapiens zeugten schon vor 200.000 Jahren gemeinsame Kinder. Oberzaucher: "Sie haben sich miteinander fortgepflanzt, insofern ist der Neandertaler nicht ausgestorben, seine Gene stecken noch heute ins uns."
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