Darum schmeckt Saures nach dem Kater

Darum schmeckt Saures nach dem Kater
Alkohol regt die Säureproduktion an. Wie die Folgen von zu viel Konsum gemildert werden können.

Marinierte Paprika, Balsamico-Zwiebel, Salz-Kapern oder einfach Essiggurkerln: So eine Antipasti-Vorspeisenplatte macht Gusto auf das folgende Hauptgericht. Und das hat durchaus auch physiologisch gesehen seinen Sinn. Die pikant-sauren Häppchen regen den Speichelfluss ebenso an wie die Produktion der Magensäure.

Der Rückschluss auf das alte Sprichwort "Sauer macht lustig" lässt sich damit aber nicht ganz belegen. Für Etymologen ist wahrscheinlicher, dass sich die Formulierung ursprünglich nicht auf "lustig" bezog, sondern auf "gelustig". Und damit war im 17. Jahrhundert generell die Lust auf etwas zu essen gemeint. So gesehen dürfte sauer also eher hungrig machen. Womit sich der Kreis zu den erwähnten Antipasti schließt.

Mineralien und Salze zuführen

Auch abseits vom Gusto zeigt Salziges beim Kater-Frühstück nach einer langen Feiernacht wie zu Silvester noch weiteren Nutzen, sagt Ernährungswissenschaftlerin Katharina Phillipp. "Gurkerl oder Heringe führen dem Körper durch den Alkohol ausgeschwemmte Salze und Mineralien wieder zu." Säure, etwa von einer Zitrone, hilft dem Körper beim Alkoholabbau. Der braucht nämlich seine Zeit. Ein etwa 80 Kilogramm schwerer Mann baut 20 Gramm Alkohol – das sind ein großes Bier oder ein Viertel Wein – in zweieinhalb Stunden ab. Bei Frauen dauert es rund drei Stunden.

Der Mangel an Flüssigkeit und Mineralstoffen ist hauptverantwortlich für die typischen Kater-Symptome. Gegen diese gibt es zwar kein Patentmittel. Aber ausreichend Flüssigkeit zuzuführen erspart dem Körper zumindest eine drohende Dehydrierung. "Das im Alkohol enthaltene Ethanol entwässert sehr stark", erklärt Univ.-Prof. Cem Ekmekcioglu, Physiologe an der MedUni Wien. Wer schon während dem Feiern zu sauer-salzigen Lebensmitteln greift und etwa ein paar Salzstangerl und Chips knabbert, kann damit einer späteren Austrocknung ebenfalls vorbeugen.

Saures Milieu in einigen Organen

Im menschlichen Körper geht es aber auch ohne Alkohol- oder Säurezufuhr von außen mitunter sauer zu. "In manchen Organen ist eine saure Umgebung notwendig. Die Verdauung etwa würde ohne stark saure Magensäure nur schlecht funktionieren", erklären die Experten der unabhängigen Plattform medizin-transparent an der Donau-Uni Krems. Klar ist aber auch: "Durch Alkohol wird die Salzsäureproduktion im Magen angeregt", sagt der Physiologe Univ.-Prof. Wolfgang Marktl. Daher könne zu viel Alkohol zu Sodbrennen führen. Besonders Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 15 Prozent kurbeln die Magensäure-Produktion an. Dazu zählen also Spirituosen wie Wodka, Whisky und sogar Eierlikör. Wer empfindlich ist, sollte daher bei Longdrinks und Cocktails vorsichtig sein.

Übersäuerung

Mit dem populären Schlagwort Übersäuerung haben all diese Stoffwechselvorgänge im Körper aber nichts zu tun. Befürworter sehen falsche Ernährung oder Umwelteinflüsse wie Stress als Auslöser für Übersäuerung, der Körper könne das Ungleichgewicht mit der Zeit nicht mehr ausgleichen. Das Bindegewebe werde dadurch übersäuert, so entstehen über Jahre Krankheiten. "Diese Behauptung lässt sich physiologisch nicht belegen", sagt Marktl. Auch Ekmekcioglu sieht das Thema kritisch. "Der Körper verfügt hier über gute Abwehrmechanismen. Beim gesunden Menschen wird der pH-Wert im Blut immer auf konstantem Niveau gehalten. Es ist unwahrscheinlich, dass das Bindegewebe eines Gesunden übersäuert." Lediglich bei schweren Erkrankungen wie etwa Diabetes könne es zu einer Übersäuerung im Blut kommen.

Säure-Basen-Balance

Im Körper herrscht ständig eine ausgeklügelte Balance zwischen Säuren und Basen. "Beide führen wir einerseits durch die Nahrung zu und bilden sie andererseits auch ständig im eigenen Stoffwechsel", sagt Marktl. Es gibt Lebensmittel mit höherem Potenzial zur Übersäuerung. Der pH-Wert bestimmt den Säuregrad einer Flüssigkeit: 0 ist extrem sauer, 14 extrem basisch. Der pH-Wert von Blut liegt bei 7,4. Die meisten wichtigen Vorgänge im Körper funktionieren daher am besten in einem leicht basischen Milieu. Eine bestimmte Ernährung, etwa nur aus tierischen und Mehl-Produkten sowie Zucker, könne zwar zu einer Säurebelastung führen. "Überschüssige Säuren und Basen werden aber über die Nieren ausgeschieden", betonen die medizin-transparent-Experten.

Wie viel Säure ein Mensch überhaupt verträgt, ist individuell und nicht messbar. Für Gesunde bestehe keine Gefahr, sagt Marktl. "Solange die Nierenfunktion intakt ist, ist der Mensch in der Lage, auch größere Mengen an Säuren abzubauen."

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