Sichere Medikamente für Kinder

Sichere Medikamente für Kinder
Bis zu 90 Prozent der Arzneien sind für Kinder gar nicht zugelassen – Studien sollen jetzt mehr Sicherheit geben.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihre Körper reagieren anders auf Medikamente und verarbeiten sie auch anders. Ist ein Kind so krank, dass es mit Arzneimitteln behandelt werden muss, sind Ärzte derzeit auf den Erfahrungsaustausch untereinander angewiesen. Denn bis zu 90 Prozent der bisher eingesetzten Arzneien sind gar nicht für Kinder zugelassen. Häufig werden die Dosierungsempfehlungen für Erwachsene einfach auf Kinder heruntergerechnet.

Christoph Male von der Wiener Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde erklärt: "Die Annahme, dass Arzneimittel bei Kindern genauso wirken wie bei Erwachsenen, ist ein großes Risiko. Denn die Verteilung von Medikamenten im Körper, ihre Wirkung und Sicherheit ist bei Kindern – abhängig vom Alter – aufgrund der Unreife ihrer Organe unterschiedlich."

Die Erfahrung habe etwa gezeigt, dass Aspirin bei Kindern in seltenen Fällen zu Leberversagen führen kann. "Die Risiken reichen von zu geringer Wirkung bis zur Überdosierung und dem Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen." Besonders große Defizite bei Kinder-Arzneien gebe es bei chronischen Erkrankungen.

Bedenken

Um Zulassungen zu bekommen, sind Studien an Kindern nötig – die waren aber lange Zeit verboten, weil diese als besonders schützenswert galten. Inzwischen sind solche Studien unter strengen Auflagen zulässig. Eine EU-Verordnung schreibt seit dem Jahr 2007 sogar zwingend Arzneimittel-Zulassungen für Kinder vor. Die Umsetzung lässt allerdings noch auf sich warten. Während in Großbritannien, Deutschland und in den Niederlanden schon früh über Koordinationsstellen beraten wurde, gebe es hierzulande immer noch ethisch-moralische Bedenken.

Die pharmazeutische Industrie Österreichs (Pharmig) setzt sich nun für eine Koordinationsstelle ein. Diese soll dafür sorgen, dass die Genehmigungsverfahren kürzer und transparenter werden. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, betont: "Es braucht ein gesellschaftspolitisches Grundverständnis, dass Studien an Kindern notwendig und wichtig sind."

Unterstützung für die Offensive gibt es von Prim. Univ.-Prof. Klaus Schmitt von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde: "Das Thema ist bei uns sehr negativ behaftet, aber es wird ja nicht an den Kindern herumexperimentiert. Die Regeln hier sind sehr streng."

Die meisten Medikamente mussten bisher ohnehin schon ohne Zulassung eingesetzt werden. "Je jünger ein Kind ist, desto weniger ist ein Medikament zugelassen." Bei einer schweren Neugeborenen-Infektion hätten die Ärzte aber oft keine andere Wahl, als ein für das Alter eigentlich nicht zugelassenes Antibiotikum einzusetzen. "Wir müssen uns derzeit auf unsere langjährige Erfahrung verlassen." Bei den Studien gehe es darum, Daten zu sammeln, um mehr Sicherheit zu bekommen. Schmitt betont: "Je kleiner die Kinder sind, desto kritischer sind wir beim Einsatz von Medikamenten." Bevor eine Arznei verordnet wird, werde ohnehin hinterfragt, ob der Einsatz wirklich notwendig ist.

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