Sex erhöht Infarktrisiko nicht – mit einer Ausnahme

Sex ist - sportlich gesehen - vergleichbar mit raschem Gehen oder einigen Stockwerken Stiegensteigen: Auch für Menschen nach einem Herzinfarkt bedeutet das keine Gefahr fürs Herz.
Auch nach einem Infarkt besteht keine Gefahr, dass Sex eine neuerliche Herzattacke auslöst - außer in einem speziellen Fall.

17.000-mal kommt es in Österreich jährlich zu einem Herzinfarkt. Viele Betroffene haben danach Angst, dass Sex das Risiko für einen neuerlichen Infarkt erhöhen könnte. Eine Studie im Journal of the American College of Cardiology entwarnt: Sex steigert das Risiko für einen (neuerlichen) Infarkt nicht.

Forscher der Uni Ulm untersuchten 536 Infarktpatienten im Alter von 30 bis 70 Jahren zehn Jahre lang:

Nur drei (0,7 %) hatten in der Stunde vor ihrem ersten Infarkt Sex, bei 78 Prozent lag der Verkehr schon mehr als 24 Stunden zurück.

Innerhalb von zehn Jahren kam es zu 100 neuerlichen Herzinfarkten – allerdings konnte kein Zusammenhang mit der Häufigkeit sexueller Aktivität festgestellt werden. "Basierend auf unseren Daten ist es sehr unwahrscheinlich, dass Sex ein relevanter Auslöser von Herzinfarkten ist", sagt Studienleiter Prof. Dietrich Rothenbacher.

"Verunsicherung"

"Viele Menschen nach einem Herzinfarkt sind verunsichert, was ihre Sexualität betrifft", sagt dazu Univ.-Doz. Franz Xaver Roithinger, Präsident der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft zum KURIER. "Die Krankenhausaufenthalte werden immer kürzer und deshalb wird das Thema dort oft auch nicht angesprochen. Aber es ist wichtig, mit einer Ärztin oder einem Arzt darüber zu reden, auch, um die Angst zu nehmen." Roithinger betont ebenfalls, dass "Sex auch für Herzpatienten kein Risiko bedeutet. Wenn jemand zwei Stockwerke Stiegen steigen kann, dann ist auch das möglich".

Doch Daten aus Deutschland zeigen: Nach einem Infarkt werden weniger als die Hälfte der Männer und weniger als ein Drittel der Frauen von ihrem Arzt diesbezüglich beraten. „Das ist ein Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird“, meint Rothenbacher.

Erektionsstörungen durch Betablocker?

Ein Thema sind Betablocker (zur Puls- und Blutdrucksenkung), die oft als Ursache von Erektionsstörungen betrachtet werden – weshalb die Kombination mit Potenzmitteln nicht selten ist. "Meistens hat das Sexualleben aber schon vorher nicht optimal funktioniert und oft spielt Verunsicherung eine große Rolle", betont Roithinger. Aber auch hier helfe ein Arztgespräch: "In den meisten Fällen kann der Betablocker ausgetauscht und eine andere Medikamentenkombination gefunden werden."

Gefährliche Kombination

Gesundheitlich sei eine Kombination von Potenzmitteln mit Betablockern kein Problem. "Gefährlich ist hingegen die Kombination von Potenzmitteln und Nitrosprays: Beides erweitert die Gefäße – es kann zu einem Blutdruckabfall und zur Bewusstlosigkeit kommen."

Risiko Seitensprung

Und Seitensprünge sind offenbar gefährlicher als Sex in der Partnerschaft. Rechtsmediziner der Uni Frankfurt analysierten 60 Fälle, bei denen ein Partner beim Sex gestorben war. 56 Opfer waren Männer (Altersschnitt: 59), die einem Herzinfarkt erlagen. Mehr als die Hälfte der Betroffenen starb bei Geliebten oder Prostituierten, die durchschnittlich 20 Jahre jünger waren, schreibt das Magazin Bild der Wissenschaft. Möglicherweise strengen sich ältere Herren beim Seitensprung mehr an als im Ehebett.

Es blieb in der Studie jedoch offen, ob tödliche Herzinfarkte beim Seitensprung den Rechtsmedizinern eher bekannt werden als beim Sex im Ehebett.

Wie rasches Gehen

Nach Auskunft der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) ist Sex sportlich vergleichbar mit raschem Gehen oder einigen Stockwerken Stiegensteigen. Wer das ohne gesundheitliche Probleme schaffe, habe nichts zu befürchten. Sex sei wichtig für die Lebensqualität von Mann und Frau. Er sei daher auch Menschen mit milder Angina pectoris (Brustenge) zu empfehlen oder ein bis mehrere Wochen nach einem unkomplizierten Herzinfarkt, wenn der Patient keine Herzbeschwerden durch moderatem Sport bekomme. Menschen mit schweren Herzleiden sollten dennoch vor dem Sex zum Arzt gehen und sich behandeln lassen.

Die AHA zieht aus verschiedenen Studien den Schluss, dass direkt beim Sex das Herzinfarkt-Risiko von Menschen zwischen 50 und 70 Jahren zwar theoretisch um das 2,7-Fache erhöht ist. Aufgrund der vergleichsweise kurzen Zeit sexueller Aktivität pro Jahr sei die absolute Gefahr für Infarkte beim Sex jedoch minimal.

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