Müden Auges in den Graben

Müden Auges in den Graben
Eine EU-weite Studie untersucht, wie häufig diese Unfallursache ist.

Gähnen, Drehen und Neigen des Kopfes, unruhige Hände – gefolgt von Inaktivitätsphasen mit starrem Blick: „Ein Sekundenschlaf kommt keinesfalls aus dem Nichts, sondern kündigt sich bei allen Autofahrern durch ähnliche Verhaltensweise an“, sagt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Offizielle waren im Vorjahr 4,9 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle auf Übermüdung zurückzuführen, die Dunkelziffer dürfte jedoch wesentlich höher sein. „Laut einer älteren Studie sind es auf Autobahnen an die 30 Prozent“, sagt der Schlafmediziner Wolfgang Mallin, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM). „Aber bisher wurde das Problem von Unfällen durch Müdigkeit viel zu wenig beachtet.“

Eine europaweite Studie soll jetzt Aufschlüsse über die tatsächliche Häufigkeit liefern: Anonym können (Beinahe-)Unfalllenker im Internet einen Fragebogen ausfüllen (siehe re.), die Ergebnisse werden im Oktober im EU-Parlament präsentiert.

Schlafdefizit

Unfallursache ist nicht nur die Müdigkeit als Folge von Schlafdefizit bei langen Fahrstrecken: „25–30 Prozent der Erwachsenen haben chronische Schlafstörungen, davon sind aber nur maximal zehn Prozent in ärztlicher Therapie“, sagt Mallin. Am häufigsten sind Schlaflosigkeit (v. a. bei Älteren) sowie Schlafapnoe (Atempausen im Schlaf, die zu Aufweckreaktionen führen und so den Schlaf stören). „Von rund 400.000 Betroffenen wissen vermutlich rund 370.000 nichts von ihrer Erkrankung und fahren müde herum“, so Joe Hoza, Selbsthilfegruppe Schlafapnoe.

„Es gibt sehr gute Therapien. Aber manche Patienten verweigern sie und fahren trotzdem mit dem Auto weiter – dann sind mir als Arzt derzeit die Hände gebunden“, kritisiert Mallin. „In der kanadischen Provinz Ontario und anderen Ländern kann der Arzt solche Therapieverweigerer der Behörde melden, das kann einen Führerscheinentzug zur Folge haben.“

Pausen

Nach maximal zwei Stunden Fahrzeit sollte man eine Pause machen, sagt Mallin. Bei Müdigkeit sollte man eine Viertel- bis max. eine halbe Stunde schlafen – nicht länger, um nicht in die Tiefschlafphase zu kommen. Koffein hilft nur kurz: „Man ist maximal 30 bis 45 Minuten ein wenig munterer – die Wirkung wird überschätzt.“

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