Schmerz: Oft zu wenig Therapie

Schmerz: Oft zu wenig Therapie
Jeder Fünfte leidet an chronischen Schmerzen. In vielen Fällen ist die Therapie aber bei Weitem nicht ausreichend.

Jeder fünfte Europäer leidet an chronischen Schmerzen. Aber der Großteil von ihnen ist - trotz aller Fortschritte der modernen Schmerzmedizin - nicht oder nicht ausreichend behandelt. Das gilt auch für Österreich", sagt der Schmerzspezialist Univ.-Prof. Hans Georg Kress, MedUni Wien. Er ist Präsident des Dachverbandes Europäischer Schmerzgesellschaften, der derzeit einen Schmerzkongress in Hamburg abhält. "Viele Patienten benötigen im Schnitt zehn Jahre, bis sie bei einem Schmerztherapeuten landen", sagt Kress. Dafür gebe es viele Gründe: Bis vor zehn, zwanzig Jahren habe noch eine Rolle gespielt, dass in den stark katholisch geprägten Ländern das Leid eher als zum Leben gehörend akzeptiert wurde. Heute stünden aber andere Ursachen im Vordergrund: Zum einen gebe es noch keine ausreichende flächendeckende Versorgung mit Zentren und Therapeuten.

Zum anderen werde chronischer Schmerz häufig immer noch nicht als eigenständige Erkrankung akzeptiert: "Viele Ärzte suchen nur nach Ursachen in den Gelenken, in den Knochen, in den Muskeln: Oft, ohne etwas zu finden. Wir kämpfen aber dafür, dass chronischer Schmerz als Erkrankung gesehen wird, die man auch als solche behandeln muss."

60 bis 90 Prozent der Bevölkerung leiden zumindest ein Mal im Leben an Rückenschmerzen - vom Nacken bis zur Lendenwirbelsäule. Der Großteil dieser Schmerzen ist "unspezifisch" - also ohne anerkannte Diagnose wie etwa Infektion, Osteoporose oder Krebs. "Gerade Rückenschmerz ist selten nur ein mechanisches Problem, oft spielen auch andere Ursachen - etwa psychosoziale Probleme wie Unzufriedenheit am Arbeitsplatz - mit", betont Kress.

Deshalb können operative Eingriffe das Problem oft nicht lösen: "Bevor man bei einem unspezifischen Schmerz an eine Operation denkt, sollte man alles andere ausschöpfen: Medikamente, physikalische Medizin, Rehabilitation, psychosoziale Beratung."

Neue Daten

Auf dem Schmerzkongress werden auch zahlreiche neue Studienergebnisse präsentiert:

- So ist ein niedriges Einkommen ein Risikofaktor für die Entwicklung lang anhaltender, beschwerlicher Nackenschmerzen.
- Frauen spüren Schmerz zwar kürzer, aber dafür stärker als Männer.
- Schmerzerfahrungen in früher Kindheit können lebenslange Überempfindlichkeit und späteren chronischen Schmerz zur Folge haben. Vermeidbare Schmerzen sollten Kindern also unbedingt erspart werden.
- Wenn Kleinkinder stürzen, schauen sie oft zuerst ihre Eltern an und versuchen an ihrem Gesichtsausdruck abzulesen, wie schlimm die Sache nun sei, ehe sie zu weinen beginnen. Deshalb sollen Eltern den Schmerz wahr- und ernst nehmen, aber nicht dramatisieren.

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