Schlaganfall: Ratten lernten wieder greifen

Schlaganfall: Ratten lernten wieder greifen
Mithilfe einer neuen Therapie wurden die Ratten rehabilitiert - Tests mit Menschen sollen noch heuer beginnen.

Mit einer Kombination aus einem Nervenwachstums-Wirkstoff und Rehabilitations-Training haben nach einem Schlaganfall gelähmte Ratten wieder greifen gelernt. Dies berichten Forscher der ETH und Universität Zürich am Freitag im Fachjournal „Science“.

Die Funktion der Vorderpfoten wurde fast vollständig wieder hergestellt, teilten die beiden Hochschulen am Donnerstag mit. Allerdings kommt es dabei auf den richtigen Ablauf an: Gelähmte Tiere erholen sich nur dann annähernd vollständig, wenn das Training erst nach der Medikamentengabe beginnt. Erfolgen beide gleichzeitig, ist der Erfolg gering.

Für ihre Studie hat das Team um Martin Schwab vom Institut für Hirnforschung der Universität und ETH Zürich bei Ratten Schlaganfälle ausgelöst, die Teile der Hirnrinde und insbesondere die Bewegungsareale schädigten. Die Tiere waren danach halbseitig gelähmt. Auch bei Menschen kommt es oft nach Schlaganfällen zu Lähmungen, Sprachausfällen oder Sehstörungen.

Behandlung

Danach behandelten die Wissenschafter die Tiere mit Antikörpern, die sogenannte Nogo-Proteine blockieren. Nogo hemmt das Wachstum von Nervenfasern; werden sie blockiert, beginnen Nervenfasern in verletzten Bereichen von Gehirn und Rückenmark wieder zu sprießen und Nervenimpulse weiterzuleiten. Zusätzlich wurden die an den Vorderbeinen gelähmten Tiere einem physischen Training - nämlich dem Greifen von Zuckerstückchen - unterzogen. Diese beiden Maßnahmen erfolgten entweder gleichzeitig oder nacheinander.

Es zeigte sich, dass der zeitliche Ablauf maßgeblich ist: Erhielten die Tiere zuerst Antikörper und wurden danach trainiert, erlangten sie im Schnitt 85 Prozent ihrer ursprünglichen motorischen Fähigkeiten wieder. Erfolgte das Training gleichzeitig mit der Antikörper-Gabe, waren es nur 15 Prozent, berichtet das Team um Erstautorin Anna-Sophia Wahl. So eine fast vollständige Erholung sei bei einem derart grossen Schlaganfall noch nie erzielt worden.

Nerven wachsen nach

Die Forscher erklären sich das gute Resultat damit, dass der frühe Einsatz von Wachstumsstimulatoren viele Nerven nachwachsen lässt. Diese werden dann durch das intensive Training aussortiert und in funktionierenden neuronalen Schaltkreisen stabilisiert. Erfolgen beide Maßnahmen gleichzeitig, wird der Prozess gestört, das Nervenwachstum ist chaotisch. Die neuen Nerven stammen aus dem Rückenmark und wachsen über Kreuz zu den verletzten Stellen, wie die Forscher nun erstmals bei Schlaganfällen nachweisen konnten.

„Das Gehirn hat ein riesiges Potenzial zur Reorganisation und Wiederherstellung seiner Funktionen. Mit den richtigen Maßnahmen zum richtigen Zeitpunkt kann dieses gezielt gesteigert werden“, erklärte Schwab. Bisher sei der Rehabilitationserfolg ausschließlich davon bestimmt gewesen, wie viele intakte Nerven beim Patienten noch vorhanden waren.

Klinische Tests mit Schlaganfall-Patienten

Mit der Antikörper-Therapie könnten diese nun gezielt zum Wachsen gebracht und danach trainiert werden. Die Forschenden bereiten bereits einen klinischen Test mit der Kombinationstherapie an Schlaganfall-Patienten vor. Er soll noch in diesem Jahr in Zürich oder Basel starten.
Die Züricher Forscher haben den Nogo-Antikörper bereits vor mehr als 20 Jahren entdeckt. Erste klinische Versuche mit am Rückenmark verletzten, gelähmten Patienten endeten vielversprechend. Derzeit seien die Tests des Pharmakonzerns Novartis jedoch aus Geldmangel auf Eis gelegt, erklärte Schwab.

Kommentare