Schlaganfall: Durchbruch für neue Therapieform

Verstopft ein Blutgerinnsel eine Hirnarterie, kommt es zu einem akuten Schlaganfall. Werden sie mechanisch herausgezogen, verbessert das den Therapieerfolg in vielen Fällen deutlich, zeigen neue Studien
Wie mit einem "Korkenzieher" wird das Blutgerinnsel herausgezogen. Studien belegen jetzt die Wirksamkeit.

Game-changing nennen es die Amerikaner, von einem "wissenschaftlichen Durchbruch" sprechen die Europäer: Gemeint ist eine neue Therapieform bei Schlaganfällen, die mechanische Entfernung von Blutgerinnseln (Thromben). Mehrere große Studien belegen jetzt ihre Wirksamkeit.

Beim größten Teil der Schlaganfälle kommt es durch einen Verschluss einer Gehirnarterie durch ein Blutgerinnsel zur Unterversorgung eines Hirnareals mit Blut - und damit mit Sauerstoff und Nährstoffen. Als Folge sterben Nervenzellen ab. Standardtherapie ist derzeit, innerhalb der ersten viereinhalb Stunden das Blutgerinnsel mit einem intravenös verabreichten Medikament ("Lyse-Therapie") aufzulösen. Doch bei sehr großen Gerinnseln in den unteren Gefäßen des Gehirns funktioniert das nur schlecht. "Diese lösen sich auf Grund ihrer Größe unter medikamentöser Therapie nicht oder nur zum Teil auf, sind aber mit dem Katheter gut zugänglich", sagt der Neurologe Christian Enzinger von der MedUni Graz.

Schlaganfall: Durchbruch für neue Therapieform

Schlaganfall-Symptome
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Schlaganfall-Symptome
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Schlaganfall-Symptome
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Schlaganfall-Symptome
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Schlaganfall-Symptome

Bei Verschlüssen großer Hirnarterien ist die zusätzliche Anwendung dieser Methode der alleinigen medikamentösen Auflösung des Thrombus überlegen, haben jetzt übereinstimmend mehrere internationale Untersuchungen gezeigt.

Dieses Thrombektomie genannte Verfahren ist mit der Prozedur vergleichbar, die Kardiologen nach einem Herzinfarkt anwenden: Mittels Katheter wird ein winziges Instrument über die Leisten-Arterie bis in die Gehirn-Arterie geschoben, das sich wie ein Korkenzieher in den Thrombus drehen lässt. Eine Drahtspitze durchbohrt den Thrombus, anschließend wird das Gerinnsel aus dem verstopften Blutgefäß herausgezogen. Oder wie es ein US-Neurologe plastisch ausdrückt: "Das ist ein wenig so, wie wenn ein Angler einen Fisch aus dem Wasser zieht."

Sterblichkeit halbiert

Die Ergebnisse sind beeindruckend, wenn dieses Verfahren innerhalb der ersten vier bis maximal sechs Stunden angewandt wird: So konnte die Sterblichkeit im Vergleich zur alleinigen Anwendung der medikamentösen Therapie halbiert werden. Überleben nach der Standard-Lyse-Behandlung acht von zehn Schlaganfall-Patienten, sind es nach dem Einsatz beider Methoden neun von zehn- das bedeutet eine Halbierung der Sterberate. Die Zahl der Menschen, die ohne schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen selbstständig weiterleben konnten, erhöhte sich unter den Studienteilnehmern von 30 auf 55 Prozent.

Experten schätzen, dass rund 15 bis 20 Prozent der Patienten mit akutem Schlaganfall von der neuen Methode profitieren könnten. "Bei jedem Patienten wird eine Analyse der Blutversorgung im Gehirn bzw. der Ausprägung des Schlaganfalls mit moderner Bildgebung vorgenommen", sagt der Düsseldorfer Neuroradiologe Bernd Turowski. "Das ist unabdingbar, um Chancen und Risiken abwägen zu können. Sehen wir, dass das durch den Hirninfarkt unterversorgtes Hirngewebe noch gerettet werden kann, können wir dieses Verfahren einsetzen."

Es geht um jede Minute

Für einen Einsatz rund um die Uhr werden allerdings mehrere Ärzte benötigt, die entsprechend trainiert sind. In Wien und Graz gibt es bereits Versorgungssysteme, durch die gewährleistet ist, dass in jeweils einem Spital rund um die Uhr die Methode jederzeit eingesetzt werden kann. Österreichweit befinden sich derartige Systeme gerade im Aufbau.

Dabei müssen alle Prozesse so optimiert sein, dass keine Zeit verlorengeht. Denn in jeder Minute, in der ein Schlaganfall nicht behandelt wird, verliert der Patient 1,9 Millionen Gehirnzellen und 14 Milliarden Verbindungen zwischen den Zellen. "Es geht buchstäblich um jede Minute", sagt der Neurologe Sebastian Jander aus Düsseldorf. Bis ein Arzt das Verfahren beherrscht, ist eine Ausbildungszeit von einem bis eineinhalb Jahren notwendig.

Risikofaktor Bluthochdruck

Jährlich wird in Österreich rund 25.000 Mal die Diagnose Schlaganfall gestellt. Hauptrisikofaktor ist ein erhöhter Bluthochdruck, weitere Risikofaktoren sind unter anderem Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel und hoher Alkoholkonsum.

Bei Warnsignalen für einen Schlaganfall wie Lähmungserscheinungen oder plötzliche Sehstörungen sofort die Rettung - Notruf 144 - rufen.

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