Heftige Diskussion um Schlafmittel für Babys

Heftige Diskussion um Schlafmittel für Babys
In Deutschland warnen Gesundheitsbehörden vor Schäden. Warum Einschlafrituale noch immer die beste Methode sind.

Sein Kind mit Schlafmitteln ruhigstellen, damit man selber wieder einmal durchschlafen kann: Offenbar greifen immer mehr Eltern zu dieser fragwürdigen Methode. In Internetforen wird das Thema heftig diskutiert. Nun warnt in Bayern neben Kinderärzten sogar das Gesundheitsministerium vor einer bedrohlichen Entwicklung, die den Kindern Schaden zufügen kann. Denn neben psychischer Abhängigkeit können Schäden an Nieren und Leber die Folge sein. Ebenso droht bereits in niedrigen Dosen Atemstillstand.

"Kein probates Mittel"

"Ein schreiendes Baby erzeugt in uns Erwachsenen einen enormen Stress, der schwer zu ertragen ist. Das Baby hat aber vor allem in der ersten Zeit nur dieses eine Ausdrucksmittel zur Verfügung! Das kann selbstverständlich nicht mit Schlafmitteln gelöst werden", betont der Wiener Kinderarzt Peter Voitl. "Seit dem Aufkommen wirksamer pharmakologischer Schlafmittel ist auch die Nachfrage danach für unruhige Kinder aufgekommen und wird immer wieder thematisiert." Er schätzt aber, dass der tatsächliche Gebrauch "sehr selten" ist. "Die Substanzen sind rezeptpflichtig und werden naturgemäß von Ärzten kaum verordnet." Zudem würde der Gebrauch durch den Einfluss auf die kindliche Entwicklung bei den Untersuchungen auffallen. Ähnlich schätzt Prim. Karl Zwiauer, Vorstand der Kinderabteilung im Landesklinikum St. Pölten, die Situation in Österreich ein. An seiner Abteilung habe er dieses Phänomen bisher noch nicht gesehen. "Es steht außer Zweifel, dass dies kein probates Mittel ist, um Kinder zum Einschlafen zu bringen. Das grenzt fast an Kindesmisshandlung."

Vor allem Neugeborene und Babys haben - in unterschiedlicher Ausprägung - anfangs Schwierigkeiten, sich an die neuen Bedingungen in der Welt zu gewöhnen. "Ein Baby ist oft noch nicht annähernd in der Lage, mit der Regulation der neuen Anforderungen selbst zurecht zu kommen und schreit in Zuständen, wo es dafür Hilfe und Regulationsunterstützung benötigt", erklärt Voitl.

Spiegel der Gesellschaft

Für Zwiauer spiegelt der Einsatz von Schlafmitteln für Babys und Kleinkinder eine auch gesellschaftlich bedenkliche Situation wider: "Eltern wissen nicht mehr, wie sie mit ihren Kindern umgehen sollen. Es hat bei Erwachsenen eine Tradition, bei Überforderung zu Schlafmitteln zu greifen, anstatt die Lebensbedingungen nach Möglichkeit zu verändern. Und jetzt wird das auch auf eine Gruppe ausgeweitet, die sich nicht einmal dagegen wehren kann."

Einschlafrituale

Ganz wesentlich für einen normalen Schlafrythmus seien für Kinder Einschlafrituale. "Bei der Erstberatung sprechen wir immer zwei wesentliche Parameter an - Vorlesen und nachts kein Licht im Raum anzulassen." Voitl rät überforderten Eltern: "Lassen Sie es nicht so weit kommen!! Holen Sie sich rechtzeitig professionelle Unterstützung in dafür vorgesehenen Einrichtungen. Viele Kinderspitäler und Beratungsstellen bieten eigene Schrei- und Schlafambulanzen an. Oft helfen bereits einige wenige Gespräche um eine deutliche Entlastung zu bewirken, so dass Sie als Eltern wieder Ihre elterlichen Kompetenzen zurück erlangen."

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