Schilddrüse: Sechs Monate Wartezeit auf Untersuchung

Weil Kapazitäten in den Spitälern reduziert, außerhalb aber nicht ausgebaut werden, müssen Patienten lange warten, kritisieren Nuklearmediziner.

Knoten oder Zysten im Bereich der Schilddrüse sind echte "Volkskrankheiten": Rund 40 Prozent aller 40-Jährigen und rund 60 Prozent der 60-Jährigen sind davon betroffen. Doch für einen Termin in einem Krankenhaus mit einer nuklearmedizinischen Ambulanz betragen die Wartezeiten je nach Region bis zu sechs Monate. "Für einen Patienten, der sich Sorgen wegen seines Knotens im Hals macht, ist das eine unzumutbar lange, oft angstbesetzte Wartefrist", sagt Roland Lengauer, Obmann-Stellvertreter der Bundesfachgruppe Nuklearmedizin der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK). "Dadurch kommt es zur Verschleppung der Diagnose, medizinisch notwendige Handlungen verzögern sich."

"Kropfdoktoren"

Die Vertreter der Nuklearmediziner machten am Montag auf lange Wartezeiten und bedrohte Versorgungskapazitäten aufmerksam. Im Volksmund werden Nuklearmediziner immer noch häufig als "Kropfdoktoren" bezeichnet, sagt Prim. Univ.-Prof. Thomas Leitha, Obmann der Bundesfachgruppe Nuklearmedizin der ÖÄK und Chef der nuklearmedizinischen Abteilung am SMZ-Ost (Donauspital) in Wien. Die Diagnose und Therapie gut- und bösartiger Schilddrüsenerkrankungen ist ein Schwerpunkt dieses Fachgebietes, es ist aber u.a. auch mit anderen Krebserkrankungen befasst.

So erstellt die Nuklearmedizin Bilder zur Diagnose oder zum Ausschluss von Erkrankungen. Mittels Gamma-Kamera oder Positronenemissions-Tomographie (PET) kann die Funktion von Organen und der Stoffwechsel sichtbar gemacht werden ("Molecular imaging"). Damit kann - etwa bei einem Lymphom - schon sehr früh festgestellt werden, ob ein Patient auf eine Chemotherapie anspricht. "Mache ich diese Untersuchung nach dem zweiten Chemotherapie-Zyklus, sehe ich, wie gut der Patient anspricht und kann unter Umständen das Präparat wechseln. Mache ich sie nicht, bekommt der Patient einfach nach Kochrezept die üblichen sechs Zyklen - auch wenn sie nicht effizient sind."

Unbezahlte Untersuchungen

Das Problem: "Die Nuklearmedizin leistet wertvolle Aufgaben im Rahmen der Diagnostik, die in Österreich leider praktisch nicht bezahlt werden", kritisiert Leitha. Denn das Spital bekommt eine bestimmte Summe für die Diagnose - unabhängig davon, wie viele Untersuchungen dafür notwendig waren. "Das ist auch nicht im Sinne einer Qualitätssicherung festgelegt." Wenn ein Patient mit blauen Lippen in ein Krankenhaus komme und ein Arzt einfach nach kurzem Blick „Lungenembolie“ (Verschluss eines Blutgefäßes in der Lunge durch ein Blutgerinnsel) diagnostiziere kriege das Spital genauso viel bezahlt wie wenn es eine Reihe aufwendiger Untersuchungen durchführe.

"Überhaupt nicht refundiert werden Ausschlussdiagnosen", kritisiert Leitha - also wenn erst über den Nachweis des Nichtvorliegens von verschiedenen Erkrankungen eine Diagnose gestellt wird.

Keine niedergelassenen Nuklearmediziner

Doch die Patienten können auch nicht zu niedergelassenen Nuklearmedizinern ausweichen: "Eine Niederlassung von Nuklearmedizinern in einer Kassenpraxis gibt es in Österreich nicht." Dabei könnte angesichts der großen Zahl der Patienten ein großer Teil der Vordiagnostik (z.B. mittels Ultraschall) außerhalb der Spitäler durchgeführt werden. "Einfache Vordiagnostik und Betreuung stabiler Fälle im niedergelassenen Bereich, komplexe Probleme und fortschreitende Erkrankungen im Spital - dieses System ist bei der Nuklearmedizin schlicht nicht gewährleistet." Es gebe kein Abrechnungssystem mit den Kassen. Doch angesicht der geplanten Gesundheitsreform, die Leistungen vermehrt in den niedergelassenen Bereich verlagern will, wäre dies dringend notwendig.

Weniger Kassenverträge

"Tasächlich aber gibt es nicht mehr, sondern immer weniger Ärzte mit Kassenvertrag", kritisiert Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie Niedergelassene Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer. "Im Jahr 2000 waren es noch 8491, Ende 2012 nur noch 7602 niedergelassene Ärzte mit Kassenvertrag." Sollten die niedergelassenen Ärzte 70 Prozent der derzeitigen Leistungen der Spitalsambulanzen übernehmen müssen, seien 1300 zusätzliche Arztordinationen notwendig, alleine in Wien wären es 300. "Aber schon derzeit fehlen uns in Wien 70 Ordinationen", so Steinhart.

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