Alleinstellungsmerkmal
Auf der Hand liegt hier: Das waren Menschen mit sehr viel Geld, die sich jedes nur erdenkliche Vergnügen leisten konnten. „Die Teilnahme an diesem Extremtauchgang war etwas sehr Exklusives, das wegen der hohen Kosten und des hohen Risikos nur einer Handvoll Menschen möglich ist.
Bei diesem Abenteuer zählte offenbar das Einmalige, der besondere, historische Ort des Tauchgangs: „Man taucht ja nicht zur Titanic, weil es dort unten in 3.800 Metern Tiefe besonders schön ist.“ Hinter dem Entschluss dazu steht für Sandkühler vielmehr das menschliche Bedürfnis sich abzuheben, etwas Besonderes zu sein oder zu machen. Also nach einem Alleinstellungsmerkmal, wie den höchsten Berg ohne Sauerstoffflaschen zu besteigen oder die Antarktis zu Fuß zu durchqueren.
Sensation Seeking
Die Grenze zwischen dem individuellen Setzen neuer Ziele, etwa im Sport, und dem sogenannten „Sensation Seeking“, ein Fachbegriff für „Sensationssuche“ aus der Verhaltensforschung, verläuft allerdings höchst individuell, betont Sandkühler. Vieles liege da im Auge des Betrachters. „Wenn etwas stark von der uns bekannten Welt abweicht, kommt es uns verrückt vor. Von den Motiven her ist es das meines Erachtens nicht.“
Komfortzone verlassen
„Das Rastlose, die Lust am Unbekannten und das Inkaufnehmen von Risiken ist eine der Triebfedern des menschlichen Fortschritts.“ Das sieht der Gehirnforscher als einen Grundpfeiler der menschlichen Evolution. „In unserer Menschheitsentwicklung war man nie zufrieden mit dem, was es in unserer unmittelbaren, gewohnten Nähe gab. Viele wollten auch immer sehen, was es jenseits der Berge gab, oder neudeutsch: unsere Komfortzone verlassen.“
Individuelles Risiko
Individuelle Risikobereitschaft hängt dabei von vielen Faktoren ab – von unseren Genen, unserem Hormonspiegel, auch von Vorbildern und Erlerntem. „Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit bestimmten Genvarianten risikofreudiger sind als diejenigen, die diese Varianten nicht haben“, schildert der Neurowissenschafter. Ebenso spielen Hormone und Botenstoffe in Hirnarealen wie dem Belohnungszentrum eine Rolle.
Keine Extremerfahrungen
Dabei müssen es gar nicht die Extremerfahrungen sein, bei denen Menschen Risiken eingehen. Wir treffen tagtäglich Entscheidungen mit kleineren oder größeren Risiken: Rauchen, Autofahren, neuer Job, neuer Partner, oder Aktiengeschäften, die Liste ist endlos. „Jede unserer Entscheidungen im Leben ist mit einem gewissen Risiko behaftet. Das Eingehen von Risiken ist also für niemanden etwas wirklich Besonderes.“
„Es ist eine entwicklungsgeschichtliche Tatsache, dass wir nur dann Aufwand treiben und Risiken eingehen, wenn wir dafür auch eine Belohnung erwarten.“ Als Jäger ein Tier zu jagen, als Sammler Beeren zu finden sind Beispiele für alltägliche Nutzen-Risiko-Abschätzungen. „Es handelt sich hier also grundsätzlich um ein angeborenes und nützliches Verhalten.“
Belohnung
Risikofreudiges Verhalten wird in unserer Gesellschaft generell eher belohnt als sanktioniert, sagt Sandkühler. „Wer allzu risikoscheu ist, schöpft sein Potenzial nicht aus, um erfolgreich zu sein.“ Jeder, der Erfolg haben will, müsse risikobereit sein. „Sogar bei der Partnersuche geht man ja ein gewisses Risiko ein.“
Glücklicherweise, ist man versucht zu sagen, sind nicht alle gleich risikofreudig. „Eine funktionierende Gesellschaft braucht Menschen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen. Wer mit wenig Risikobereitschaft ein zufriedenes, glückliches Leben führt, wird gewisse mögliche Vorteile für sich nicht nutzen können. Er muss dafür aber auch so manche Nachteile nicht in Kauf nehmen.
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