Prothese ermöglicht Tasten und Fühlen

Dennis Aabo Sörensen mit der fühlenden Prothese
Ein Däne konnte neun Jahre nach dem Verlust seiner Hand für einige Tage wieder etwas spüren

Vor neun Jahren verlor Dennis Aabo Sörensen, 36, bei einem Unfall mit Feuerwerkskörpern seine linke Hand. Jetzt ist er nach Angaben von Schweizer und italienischen Forschern der erste Mensch der Welt, der mithilfe einer neuartigen Prothese nicht nur zugreifen, sondern auch etwas fühlen kann.

„Wenn ich ein Objekt gehalten habe, konnte ich fühlen, ob es weich oder hart, rund oder eckig war“, so Sörensen. Er ist von der Testhand begeistert: „Die sensorische Rückmeldung war unglaublich.“

Sörenson hat die neue Prothese vor einem Jahr im Rahmen einer Studie eine Woche lang getestet. Ein Jahr danach wurden die Ergebnisse Mittwochabend in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine präsentiert. Für einen dauerhaften Einsatz dieser Technik ist es aber noch viel zu früh.

Wie auch bei anderen modernen Prothesen steuern Muskelbewegungen des Unterarms die Hand.

Doch zusätzlich wurden Sörensen vier sehr feine Elektroden in Nerven des Oberarms eingesetzt. Sensoren an den Fingern der Prothese geben den registrierten Druck als elektrische Signale weiter. Eine spezielle Software übersetzt diese in Impulse, die die Elektroden an die Nerven weitergeben.

Sörenson merkte sofort, ob er zu fest zugedrückt hatte bzw. welche Art Gegenstand er in der Hand hält. Er konnte mit der Prothese Größe, Form und Härte von Gegenständen in seiner Hand erfassen und so zum Beispiel eine Tube von einer Serviette unterscheiden.

„Nicht ausgereift“

Für den Wiener Plastischen Chirurgen Univ.-Prof. Oskar Aszmann von der MedUni Wien ist dieses System „allerdings noch lange nicht ausgereift und letztlich nur eine halbherzige Lösung“. Aszmann war 2007 einer der Mediziner, der einem jungen Steirer eine völlig neue, nur intuitiv gesteuerte Armprothese anpasste.

Grundproblem: Die implantierten Elektroden, die die Signale an die Nerven leiten, müssen mit der Prothese verbunden werden – deshalb muss auch der Armstumpf mittels Kabel an sie gekoppelt werden. „Eine ständige Infektionsquelle. Deshalb ist das für mich noch keine Zukunftslösung.“

Die entscheidende Frage sei: „Wie bringen wir Signale in den Körper hinein und aus ihm heraus, ohne dass wir ständig Löcher in den Körper machen müssen?“ An der MedUni Wien – hier werden jährlich bis zu zehn Patienten mit intuitiv gesteuerten Armprothesen versorgt – ist deshalb ein Studie mit einem drahtlosen System zur Signalübertragung geplant (siehe unten).

Prothese ermöglicht Tasten und Fühlen
Univ.-Prof. Oskar Aszmann (links) ist Plastischer Chirurg an der MedUni Wien.

KURIER: Sie wollen eine Armprothese per Funk steuern?

Oskar Aszmann: Hier wird es noch nicht um das Fühlen, sondern um die Steuerung der Bewegungen gehen. Will der Patient derzeit intuitiv eine Bewegung ausführen, werden entsprechende elektrische Muskelsignale über an der Haut klebende Elektroden direkt an die Prothese weitergegeben. Diese Signale lösen die gewünschte Bewegung der Prothese aus. Obwohl hier – im Gegensatz zu Impulsen, die für das Fühlen notwendig wären – keine Kabelverbindung notwendig ist, kann es Übertragungsprobleme geben – etwa wenn die Haut unter den Elektroden schwitzt. Deshalb wäre auch hier eine Art Funksystem wünschenswert.

Wie würde das funktionieren?

An die Muskelpartien , die derzeit direkt über die Haut die Signale an die Prothese weiterleiten, wird ein kleines Sendegerät implantiert. Dieser Transmitter sendet etwa das Signal für „Hand öffnen“ an die Prothese. Damit bräuchten wir die Übertragung über die Haut nicht mehr. Theoretisch könnte der Patient die Prothese auch dann steuern, wenn sie nicht an seinem Arm befestigt ist.

Arbeiten Sie auch an Methoden, Tastgefühl und das Spüren von Druck zu ermöglichen?

Wir arbeiten an einem Gurtsystem im Prothesenschaft, wo die Prothese mit dem Armstumpf verbunden ist: Je fester der Patient etwa ein Glas greift, umso stärker zieht sich der Gurt um den Armstumpf. Das ist ein nachvollziehbarer Reiz für den Patienten – und realistischer in der praktischen Umsetzung als der Ansatz der Kollegen in der Schweiz und in Italien.

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