Pornografie in der Steinzeit

Venus-Falle von Willendorf: Erotisches aus der Steinzeit
Pikantes zum Valentinstag: Die Schamlippen der Venus von Willendorf und Männerfantasien auf Gürtelschnallen.
Von Uwe Mauch

Der Hauptdarsteller trägt eine Haube. Er hat seinen Blick gegen den Himmel gerichtet. Oder sind es doch die Zehen seiner Herzdame? Jedenfalls ist sein Gemächt mächtig aufgeregt, während er in seine auf ihrem Thron schmachtenden Geliebten eindringt. Keine Szene aus einem Pornovideo, vielmehr Motiv auf einer Gürtelschnalle aus der Eisenzeit, ausgestellt in einer Pultvitrine im altehrwürdigen Naturhistorischen Museum Wien.

"Gar nicht so prüde unsere Vorfahren", schmunzelt Karina Grömer bei ihrer Spezialführung, die einen Ausflug in die Ur-Geschichte der Erotik ermöglicht. Der Saal 13 hat es der Archäologin besonders angetan. Hier finden sich einige Pikanterien, die der großen Karawane der Museumsbesucher für gewöhnlich verborgen bleiben.

Nicht jugendfrei

Pornografie in der Steinzeit
Führung mit der Prähistorikerin Karina Grömer und Andreas Hantschk im Naturhistorischen Museum

Die Forscherin hat ein gutes Auge für nicht jugendfreie Motive, die bis in die Steinzeit zurück reichen. Sie kommt dabei zu dem Schluss, dass Sex und Erotik in der Evolution der Menschen immer schon wichtig waren. "Weil sonst würde es uns in der heutigen Form gar nicht geben." Dass dies nicht einfach dahingesagt ist, beweist auch ein etwas genauerer Blick auf eine kleine, rundliche, rund 29.500 Jahre alte Kalksteinfigur, besser bekannt als Venus von Willendorf. "Sehen Sie nur, wie detailliert die Figur gearbeitet ist‚", erklärt Karina Grömer. "Man sieht sogar ihre Schamlippen."

Auch sonst hätte die Venus-Falle aus der Altsteinzeit einiges zu bieten: "Einen üppigen Busen und einen ebenso nackten Bauch, der Fruchtbarkeit symbolisieren soll." Und es sei auch kein Zufall, dass der Erzeuger dieser Figur mit Rötel gearbeitet hat, um ihr eine mehr als eindeutige Signalfarbe zu verpassen.

Pornografie in der Steinzeit
Führung mit der Prähistorikerin Karina Grömer und Andreas Hantschk im Naturhistorischen Museum

Wichtig ist der Prähistorikerin der Hinweis, dass diese Frauen-Darstellung nicht alleine war auf weiter Flur. "Wir wissen heute von Figuren aus Stein, Ton, Elfenbein etc. mit unbekleideter Körpermitte von Portugal bis Sibirien." Mit einer einzigen Ausnahme sind alle Fundstücke dem weiblichen Geschlecht nachempfunden. Eine Replik im Schaukasten zeigt sogar eine Frauenfigur mit Seil um den Körper. Fifty shades of grauer Vorzeit sozusagen.

Ein paar Meter in der Schausammlung weiter bzw. ein paar tausend Jahre in der Menschheitsgeschichte später, gelangen wir in die Bronzezeit. Dort richtet Karina Grömer den interessierten Blick auf die ausgestellten 3000 bis 4000 Jahre alten Schmuckgegenstände.

Verschmitzt fügt sie hinzu: "Die Männer waren beim Tragen von Schmuck immer schon unglaublich unkreativ. Im Gegensatz zum Tierreich, wo das Männchen meist die prachtvollere Erscheinung darstellt, ist es bei den Menschen spätestens ab der Bronzezeit die Frau, die mit aufwendigem Schmuck, auch aus Gold, ihre Schönheit und ihre Reize betont."

Den Schmuck tragen die Frauen laut Grömer nicht ganz zufällig im Brustbereich. Als echte Finesse wertet die Archäologin die Klapperblechfibeln aus der Hallstatt-Zeit. "Damit konnten zusätzlich akustische Signale ausgesendet werden", erklärt die Archäologin mit großer Leidenschaft. "So wie die It-Girls heute, die mit ihren Stöckelschuhen signifikante Tonspuren auf dem Parkett hinterlassen."

Frühe Pop-Ikonen

Pornografie in der Steinzeit
Valentinstag Special im Naturhistorischen Museum, nur in diesem Zusammenhang kostenlos Liebe in der Steinzeit

Die um den Hals getragenen 3500 Jahre alten Blechscheiben mit ihren langen dünnen Stacheln erinnern indes an die Bühnen-Outfits der US-Popsängerin Madonna in den 1990er-Jahren. Sie werfen die Frage nach ihrer Botschaft auf. Die Interpretation reicht von "Rühr mich nicht an!" bis hin zu Sado-Maso-Fantasien. Karina Grömer meint: "Für mich hat das schon beide Komponenten. Auch Lady Gaga würde diese Dinger sicherlich gerne tragen. Damit würde man nebenbei auch auf dem Lifeball gute Figur machen."

Richtig zur Sache geht es dann auf den Situlen (Kübeln), Männergürtelschnallen sowie Schwertscheiden aus der Eisenzeit. Gefunden wurden sie im Raum zwischen Niederösterreich und Norditalien. Der eingangs entdeckte Galan und seine Dame, die beim freizügigen Liebesakt zu sehen sind, zieren ein rund 2500 Jahre altes eisenzeitliches Fundstück aus dem heutigen Slowenien.

Pornografie in der Steinzeit
Valentinstag Special im Naturhistorischen Museum, nur in diesem Zusammenhang kostenlos Liebe in der Steinzeit

Auch nicht von schlechten Eltern: Boxkämpfer und Reiter mit ihren erigierten Gliedern. Nicht im Naturhistorischen Museum zu sehen und dennoch der Rede wert: die Bildfolge auf einer Situla aus Norditalien mit einem recht simplen Plot. Der geht ungefähr so: Mann lernt Frau kennen, sie lieben sich in allerlei Variationen und Verrenkungen, so sehr, dass sich sogar die Matratze wölbt, um am Ende ein Kind in Händen zu halten.

Archäologin Grömer betont: "Neben der Erotik, die diesen Darstellungen innewohnt, sind die Abbildungen immer auch als Teil einer kultischen Handlung sowie als Symbol für die Legitimation von Dynastien oder der Verbindung von zwei Herrscherhäusern zu sehen."

Pornografie in der Steinzeit
Valentinstag Special im Naturhistorischen Museum, nur in diesem Zusammenhang kostenlos Liebe in der Steinzeit

„Männerfantasien“

Pornografie in der Steinzeit
Führung mit der Prähistorikerin Karina Grömer und Andreas Hantschk im Naturhistorischen Museum

Die Archäologin Karina Grömer und der Pädagoge Andreas Hantschk laden am Mittwoch zu einer Kombi-Führung durch das Naturhistorische Museum Wien. Dabei wollen die Beiden folgende Themen streifen: „Männerfantasien auf Gürtelschnallen“, „Erotisches rund um die Venus“ sowie das „Liebesleben im Tierreich“.

„Sex on the Beach“

Die Spezialführung durch das altehrwürdige Museum beginnt um 18 Uhr, anschließend werden im Planetariumssaal Cocktails („Sex on the Beach“) serviert. Anmeldung ist erforderlich. Eine Karte kostet 22 Euro. Alle Infos auf der Homepage des Museums unter „Special zum Valentinstag“: www.nhm-wien.ac.at

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