"Pille danach": Apotheken belehren statt zu beraten

An illustration picture shows a woman holding a birth control pill at her home in Nice January 3, 2013. French health regulators are studying limiting the use of contraceptive pills that carry health risks and will stop reimbursing prescription costs of some types from March, after a woman sued drugmaker Bayer over alleged side-effects. An inquiry launched this week by the ANSM health regulator will review prescription practices by doctors, whom it says may be over-prescribing higher-risk third and fourth-generation pills. REUTERS/Eric Gaillard (FRANCE - Tags: HEALTH BUSINESS)
Schlechtes Zeugnis für Österreichs Apotheken: Nach Verhütungspannen gab es kaum Informationen.

Von 20 getesteten Apotheken in Wien erhielten 19 die Note wenig oder nicht zufriedenstellend, in Tirol wurden 14 von 20 Apotheken so bewertet – die Tester des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) stellen den Pharmazeuten in der aktuellen Ausgabe ein mehr als schlechtes Zeugnis für die Beratung über die "Pille danach" aus.

Unzählige Frauen waren schon einmal in der Situation, dass sie auf das Notfallmedikament angewiesen waren – sei es, weil das Kondom gerissen ist, weil es im Eifer des Gefechts nicht verwendet wurde oder weil die Einnahme der Pille vergessen wurde. Im Konsument-Test zeigte sich allerdings, dass kaum über die richtige Anwendung oder die Nebenwirkungen informiert wurde. Genauso wenig Aufklärung gab es darüber, wann die Wirkung vermindert sein könnte (siehe Infokasten unten).

Rechtfertigungsdruck

Stattdessen wurde eine Testkäuferin gefragt, warum sie die "Pille danach" benötigt – ein Rechtfertigungsdruck, mit dem sich Frauen immer wieder konfrontiert sehen: "Als ich ihr erklärt habe, dass das Kondom gerissen ist, hat mir die Apothekerin geantwortet ‚Jaja, das sagen sie alle. Als ob das noch jemand glauben würde’", erzählt eine Betroffene. Eine andere kritisiert den vermeintlich einfachen Zugang zur Notfallverhütung: "Die Wahrheit ist eine andere. Man bekommt einen abwertenden Blick, obwohl man eh schon belastet in diese Situation geht."

Dabei wurde die Rezeptpflicht für die "Pille danach" im Jahr 2009 aufgehoben, um Frauen den hürdenlosen Zugang zu ermöglichen. Darauf pocht auch die Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien, Kristina Hametner: "Die Gründe sind nicht zu hinterfragen. Wichtig ist, dass Frauen wertfrei informiert werden, wie sie anzuwenden ist und wie sie wirkt."

Für die Präsidentin der Apothekerkammer Wien, Andrea Vlasek, ist die Beratung über die Notfallverhütung immer eine Gratwanderung: "Bei einem Vier-Augen-Gespräch ist natürlich eine intimere Beratung möglich als im Vollbetrieb – da ist das Thema für beide Seiten unangenehm und es braucht viel Fingerspitzengefühl, weil die Frauen oft einfach nur die Arznei haben und gehen wollen." Es sei allerdings wichtig zu betonen, dass die "Pille danach" die schlechteste Art der Verhütung ist und nur im Notfall eingesetzt werden darf. Es gebe aber immer wieder Frauen, "bei denen wir erschüttert sind, wie schlecht sie informiert sind".

Die häufigsten Nutzer

Im Gegensatz zu anfänglichen Befürchtungen ist die größte Gruppe der Nutzerinnen allerdings nicht die der jungen, ungestümen Teenager – die typische Nutzerin der "Pille danach" ist zwischen 20 und 30 Jahre alt und lebt in einer intakten Beziehung, berichtet Vlasek.

"Wer belehrt statt zu beraten, handelt unprofessionell", sagt die Apothekerin und will den VKI-Test zum Anlass nehmen, ihre Kollegen verstärkt darauf anzusprechen, bei dem Thema mehr Fingerspitzengefühl zu zeigen. "Es ist sicher ein Kommunikationsproblem, kein Wissensproblem. Wir stellen Fragen, um die Situation einzuschätzen, aber bei dem intimen Thema ist es einfach eine Gratwanderung."

Wer sich dennoch schlecht informiert oder mit Vorwürfen konfrontiert sieht, kann sich bei der Apothekerkammer beschweren. "Das kommt vor, dann sprechen wir mit den Kollegen, was schiefgelaufen ist und was man besser machen kann."

Infos: Wie und wann die "Pille danach" wirkt

In der Apotheke sind zwei Präparate rezeptfrei erhältlich. Der Wirkstoff Levonorgestrel sollte innerhalb von 72 Stunden eingenommen werden, Ulipristalacetat kostet etwa doppelt so viel und kann bis zu fünf Tage nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr angewandt werden. Beide können eine bestehende Schwangerschaft nicht beenden.

Die „Pille danach“ kann eine Schwangerschaft nur dann verhindern, wenn sie vor dem Eisprung eingenommen wird – dieser wird mit der Arznei nur verschoben. Nach dem Eisprung ist sie wirkungslos. Die Monats- blutung tritt daraufhin meist etwas verzögert auf. Kommt es innerhalb von drei Stunden nach der Einnahme zu Erbrechen, kann die Wirkung vermindert sein.

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