Physiker Harald Lesch: Mit Optimismus gegen den Klimawandel
Der Klimawandel ist Realität. „Wir müssen jetzt handeln“, mahnt der Journalist und Astrophysiker Harald Lesch. Am Montag, 14. Jänner 2019, wird er mit Elisabeth Scharang im Gartenbaukino über seine Thesen diskutieren. Im KURIER-Gespräch sagt Lesch, warum er den Menschen Mut machen will und es sich zu kämpfen lohnt.
KURIER: Die Nachrichten über die globale Erwärmung deprimieren. Manche denken: „Da kann man eh nichts ändern.“
Harald Lesch: Solche Menschen gibt es natürlich: Ich saß neulich einem Herrn gegenüber, der sagte zu mir: „Das mit dem Klimawandel ist mir wurscht.“ Keines meiner Argumente konnte ihn nur ansatzweise überzeugen.
Hat der Mann keine Kinder?
Der hatte Kinder und dennoch denkt er: „Nach mir die Sintflut.“ Da bin ich konsterniert nach Hause gegangen. Offenbar ist die Bandbreite menschlicher Erscheinungsformen groß. Zum Glück trifft man aber viele, denen das nicht „wurscht“ ist. An die muss man sich halten. Denn Verzagen ist keine Lösung. Das Problem: Die Natur – die natürlichen Abläufe, die unter den veränderten Bedingungen, die wir geschaffen haben, sich so verhält, wie sie es tut – spricht nicht mit uns.
Was macht Sie optimistisch, dass wir die Wende schaffen?
Nicht diejenigen, die verzagen, haben sich im Evolutionsprogramm durchgesetzt, sondern die, die sagen: „Komm’, wir machen den nächsten Schritt und noch einen.“ Irgendwann fängt die Reise dann an. Außerdem: Es gibt keine Alternative zum Optimismus, Pessimismus ist nicht gerade handlungsfördernd.
Was können wir tun?
Wir haben in Europa noch Optionen. Selbst in Bangladesch, wo der steigende Meeresspiegel dabei ist, die Felder wegzuschwemmen, passt man sich an, indem man schwimmenden Beete baut und Pflanzen züchtet, die in einer Mischung aus Salz- und Süßwasser überleben. Wir Europäer haben technische und auch sonstige Optionen zu helfen. Wenn wir das aus erbärmlicher, billiger Profitgier nicht tun, muss ich sagen: „Esst euer Geld halt.“
Der einzelne ist da doch ziemlich machtlos? Was kann er tun?
Wenn jemand vor 30 Jahren angefangen hätte, etwas zu tun, wäre es heute schon besser. Doch wir haben alles noch schlimmer gemacht – die Produkte sind noch umweltzerstörender geworden. Man muss sich einmischen, so wie das jeder macht, wenn der Nachbar etwas tut, das das eigene Leben beeinflusst. Wir denken aber: Mit der Natur können wir es machen.
Wo sehen Sie die Aufgabe der Wissenschaft?
Sie muss klar machen, dass es beim Klimawandel Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge gibt, die zu 100 Prozent gesichert sind. Und was passiert, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Die Bewertung der Ergebnisse unterliegt der Gesellschaft als Ganzes und ihren Institutionen – ist das Risiko groß oder klein?
Dennoch passiert viel zu wenig.
Wissenschaftliche Entdeckungen werden leider nur dann von der Gesellschaft wahrgenommen, wenn sie in technischer Form in unseren Alltag eindringen. Wenn es darum geht, den Lebensstil zu ändern, heißt es „Nö, nö, nö“ von genau den Menschen, die der digitalen Technologie in Form von „Chancen, Chancen, Chancen“ das Wort reden. Die erkennen gar nicht, dass dieser Digitalisierungsapparat viel Energie verbraucht. Derzeit sind fast vier Milliarden Menschen im Internet – kein Land ist so groß, und dieses Netz verbraucht bald mehr Strom als ein Staat. Wir sollten die Energiewende schaffen und gleichzeitig mehr Energie produzieren. Das wird nicht funktionieren.
Geht es ohne Verzicht?
Nein. Es ist ein Mythos, dass wir uns in den Ballungsräumen so bewegen können, wie wir wollen. Innenstädte sollten von Autoverkehr verbannt werden – mit Ausnahme von Zulieferern. Die Alternative sind Öffis mit Oberleitungsbussen, die man wieder einführen sollte. Die brauchen weniger Batterien.
Batterien sind ein Problem?
Ja. Auch E-Mobilität zerstört die Umwelt, wie z. B. in Chile, wo in der Atacamawüste täglich 21 Millionen Liter Grundwasser hochgepumpt werden, um Lithium zu gewinnen. Das Wasser verdunstet, und der Himmel ist über uns allen. Das vergessen die nationalistischen Regierungen, die gerade hochgeschwemmt werden.
Warum denken viele Menschen da nicht weiter?
Wir sind unfähig geworden, einen Diskurs zu führen. Viele hängen so viel im Internet herum, wo Wunschwelten aufgebaut werden, dass sie immer weniger verstehen: Es gibt Menschen, die wollen aus ökonomischen oder politischen Gründen verhindern, dass wir über den Klimawandel reden.
Sie sehen den Neoliberalismus als Grund vielen Übels.
Wenn die Gesellschaft gegenüber der neoliberalen Idee widerstandsfähiger wäre – nach dem Motto: Mir ist egal, was die Neoliberalen sagen – , gäbe es weniger Verlierer. Reiche können sich Ökologie eher leisten, auch deshalb müssen wir umverteilen. Es sollte zukünftig normal sein, nachhaltige Produkte zu kaufen. Nur wenn sich jemand mit Name und Adresse meldet und sagt, ich will z. B. keinen Öko-Strom haben, soll er den Kohlestrom haben. Derzeit wird das ökologisch sinnvollere, aber monetär teure Produkt nicht gekauft, weil nicht auf die externen Kosten hingewiesen wird.
Der Gedanke ist vielen fremd.
Die Forderung nach Nachhaltigkeit ist für viele Menschen eine Provokation, weil damit die Lebensleistung der Nachkriegsgeneration kritisiert wird. Das Wirtschaftswunderland, in dem die Kamine rauchten, wird plötzlich infrage gestellt. Das ist eine ganze Menge an Psychologie drin. Jemandem ins Gesicht zu sagen: Was ihr da gemacht habt, war Raubbau an der Natur, ist eine ziemlich harte Nummer. Das sollten Umweltaktivisten mitbedenken. Ich denke, dass viele, die klimaskeptisch sind, im Prinzip anders denken.
Ihr Ausblick für 2019?
Ich bin guter Dinge. Es gibt genug ernsthafte Menschen für große Probleme. Die Hauptsache ist, dass die, die für Demokratieprojekt EU stehen, dafür kämpfen. Wenn wir das verlieren, verlieren wir alles . Denn: Ohne EU keine Energiewende und kein Kampf gegen die Klimakatastrophe.
Zur Person: Harald Lesch: Der Astrophysiker ist bekannt aus Sendungen wie „Leschs Kosmos“ und hat auch zahlreiche Bücher publiziert. Das jüngste Werk hat er mit Klaus Kamphausen veröffentlicht. Titel: „Wenn nicht jetzt wann dann? Handeln für eine Welt in der wir leben wollen.“ Pinguin-Verlag, 29.90 Euro.
Podiumsdiskussion in Wien: Harald Lesch wird am Montag, 14. Jänner, 20 h, mit Elisabeth Scharang im Gartenbaukino über seine Buch diskutieren. Ort: Parkring 12, Wien, Eintritt: 18 Euro
Mehr Infos: www.leuchtpunkte.at/leuchtpunkte-talks/
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