Pathologen: Die verkannten Lebensretter

Aus wenig Material viel herauslesen - das ist Aufgabe der Pathologie.
Die Obduktion von Toten ist schon längst nicht mehr alleinige Aufgabe der Pathologen.

Der Pathologe weiß alles… aber zu spät" – so lautet der Titel eines bekannten Buches des verstorbenen Pathologen Univ.-Prof. Hans Bankl. Darin führt er in die Welt des Obduktionssaals und beschreibt kuriose Fälle, etwa aus der Gerichtsmedizin. Doch von genau diesem Bild zwischen CSI und düsteren Orten, an denen Leichen obduziert werden, will sich die Pathologie heute distanzieren. "95 Prozent unserer Arbeit ist für lebende Patienten. Das hat sich bedeutend gewandelt", sagte Univ.-Prof. Martin Klimpfinger vom Pathologisch-Bakteriologischen Institut des SMZ-Süd in Wien bei einer Pressekonferenz am Mittwoch.

Die rund 400 Pathologen in Österreich würden vielmehr als Lebensretter im Hintergrund agieren. "Die Pathologie spielt heute eine entscheidende Rolle bei Diagnose, Prognose, Therapiewahl und der Kontrolle des Therapieverlaufs. Viele Fortschritte etwa im Zusammenhang mit Infektionen und ihren Auswirkungen oder in der Onkologie wären ohne die aktuellen Entwicklungen in der Pathologie nicht möglich", meint Klimpfinger.

Darmkrebs

Ein Beispiel für ein Aufgabengebiet der Pathologen ist die Abklärung von Dickdarm- und Mastdarmkrebs. Sie beurteilen etwa Gewebeproben aus Vorsorge-Darmspiegelungen (Koloskopien), zum einen mit freiem Auge, aber auch mikroskopisch. Liegt ein Tumor vor, wird dieser anschließend klassifiziert, was wiederum die weitere Behandlung bestimmt. Für die Auswahl der Therapie werden DNA-Analysen durchgeführt, die klären, ob bei den Krebszellen bestimmte Mutationen vorliegen oder nicht. Davon kann abhängen, ob ein Patient von neuen Immuntherapien profitiert. Diese gezielten, aber kostenintensiven Therapien kommen dann nur jenen zu, die tatsächlich einen Nutzen davon haben.

Die Rolle der Pathologie für die Behandlung von Tumoren zeigt sich auch am Beispiel Brustkrebs. "Vor 30 Jahren hat man einen entdeckten Knoten erst einmal entfernt und dann untersucht. Heute wird er zuerst vom Pathologen typisiert bevor operiert oder medikamentös behandelt wird", berichtete Univ.-Prof. Sigurd Lax vom Institut für Pathologie im LKH Graz Süd-West.

Frühe Diagnose

Immer wichtiger werden die Pathologen auch für die Frühdiagnostik von Krebsvorstufen, z.B. bei Gebärmutterhalskrebs. "Diese Krebsform hat eine Sonderstellung, da sie praktisch exklusiv durch Viren (Anm.: Humanes Papilloma-Virus, HPV) verursacht wird. Durch die HPV-Impfung und die Vorsorge mit dem jährlich empfohlenen Krebsabstrich beim Gynäkologen ist die Häufigkeit von Gebärmutterhalskrebs um zwei Drittel zurückgegangen", sagte Christa Freibauer vom Institut für Pathologie im LKH Mistelbach. Die Zellen des Abstrichs aus dem Gebärmutterhals werden von Pathologen analysiert.

Univ.-Prof. Chott vom Pathologisch-Bakteriologischen Institut im Wilhelminenspital sieht in der Pathologie eine aufstrebende Disziplin: "Das Analysieren von Schwachstellen der Tumorzellen rückt uns mehr in den Mittelpunkt. Wir können aus wenigem entnommenen Material viel herauslesen." Die Experten fordern daher auch eine Ausbildungsoffensive, um die Versorgung zu gewährleisten und dem wachsenden Bedarf an Spezialisten zu entsprechen.

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