Die Ringelwürmer von Barcelona

Präsident Carles Puigdemont denkt derzeit eher nicht an das alte Leben im Gemäuer
Im Sandstein von Gebäudefassaden mitten in Barcelona haben Geologen uralte Spuren von Leben gefunden.

Die katalanische Hauptstadt Barcelona sorgt in diesen Tagen für politische Schlagzeilen. Eine Entdeckung der Geologen der Universitäten Barcelona und Madrid findet da fast zwangsläufig kaum Beachtung, und doch ist sie spannend: Im Sandstein von Gebäudefassaden im Stadtzentrum haben die Forscher uralte Spuren von Leben gefunden. Die sogenannten Spurenfossilien sind kleine Gänge, die vermutlich von Ringelwürmern stammen, berichten Zain Belaustegui von der Universität Barcelona und sein Vater Alejandro Belaustegui von der Universität Carlos III Madrid.

Die neue Fossilien beschreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Geologica Acta“. Unter Spurenfossilien verstehen sie nicht die versteinerten Überreste eines Organismus selbst, sondern Belege der Aktivität von Organismen.

„Das neue städtische Fossil Lapillitubus montjuichensis ist zwölf Millionen Jahre alt und ein einfacher, zylindrischer und geradliniger Bau ohne Verzweigung“, wird Zain Belaustegui in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Der Artname spiele auf den Hausberg Barcelonas an, den Montjuic. Von diesem Berg nahe dem Mittelmeer stammen seit der Römerzeit zahlreiche Bausteine, die in Barcelona und anderswo verwendet wurden. Die Steinbrüche sind seit den 1950er-Jahren stillgelegt. Zuvor aber hatten dort die Architekten des Modernisme (katalanischer Jugendstils) am Ende des 19. Jahrhunderts ihre Baustoffe gefunden.

An den Fassaden dieser Gebäude, darunter der Justizpalast, entdeckten Vater und Sohn Belaustegui die versteinerten Röhrengänge. Das für die neue Fossilienart typische Exemplar stammt von einem Gebäude namens Casa Pascual i Pons: Es ist ein Längsschnitt durch die zehn bis 15 Millimeter breite Röhre.

In versteinerten Röhren

Als Verursacher der Röhren kamen für die Forscher die Larven der Köcherfliege und die Klasse der Vielborster aus dem Stamm der Ringelwürmer in die engere Wahl. Aufgrund der Beobachtungen an heute lebenden Tieren aus anderen Studien gehen die beiden Belausteguis davon aus, dass Ringelwürmer einst die heute versteinerten Röhren gruben. Sie vermuten als Ursprungsort ein flaches Meeresgebiet mit vielen Ablagerungen, etwa ein Flussdelta.

Die Fossilien seien in einem guten Zustand, berichten die Forscher. Alle Gebäude, an denen sie sich befinden, seien durch den rechtlichen Status eines „Kulturguts von lokalem Interesse“ geschützt. „Städtische Fossilien an Gebäuden, Skulpturen, Gehsteigen und anderen menschengeschaffenen Umgebungen können einen sehr wichtigen Teil unseres paläontologischen Erbes darstellen“, schreiben die Geologen in ihrer Studie. Und Alejandro Belaustegui bilanziert: „Wir erwarten, dass diese Arbeit als Anregung für künftige, ähnliche Studien dient, und dass sie die Bedeutung dieser einzigartigen städtischen Blüte zeigt.“

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