Osteopathie: Sanfte Griffe, die heilen können

Osteopathie: Sanfte Griffe, die heilen können
Die manuelle Technik löst Blockaden und wird auch von vielen Ärzten geschätzt.

Nur ungern erinnert sich Herta Glatzmayr (64) an jenen Tag vor sieben Jahren, an dem sie ihr Drehschwindel besonders quälte. „Mir wurde so schwindelig, dass ich dachte, ich hätte einen Schlaganfall. Sobald ich mich hinsetzen wollte, musste ich mich übergeben.“ Es folgte eine Ärzte-Odyssee: „Ich lief von Pontius zu Pilatus, aber niemand konnte mir helfen. Bis ich es bei einem Osteopathen versuchte.“

Osteopathie: Sanfte Griffe, die heilen können
Hans Malus, Facharzt für physikalische Medizin und seit 17 Jahren auch Osteopath, führte die ständig wiederkehrenden Schwindelgefühle der Wienerin auf Blockaden im Halswirbelbereich zurück. „Spannungen und Blockaden entstehen durch Stauungen im Körper. Um diese wieder zu lösen, gibt es eine Reihe von Techniken.“ Und die sind sanft, sehr sanft. Mit seinem „Werkzeug“ – den Händen – bearbeitet Malus zuerst den Kopf- und Halsbereich seiner Patientin, danach Schultern, Rücken und Beine. Diese sachten Handbewegungen sollen schlimme Verspannungen lösen? Glatzmayr: „Ja, die Griffe sind zwar kaum spürbar, aber ich fühle mich nach jeder Behandlung viel gelöster und habe weniger Schmerzen.“

Viele Zahnräder

Die Grundidee der Osteopathie: Alles muss in Bewegung bleiben. Der menschliche Körper besteht aus verschiedenen Systemen, dem strukturellen Knochen- und Muskelgerüst, den inneren Organen und der Kopf-Kreuzbein-Achse. Malus: „Wir Osteopathen arbeiten ganzheitlich, alle Körpersysteme werden miteinbezogen. Wie viele kleine Zahnräder, die alle wieder ineinander greifen sollen.“ Eine standardisierte Form der Behandlung gibt es nicht, sie wird auf die Bedürfnisse der Patienten individuell abgestimmt. Sinnvoll ist eine osteopathische Therapie vor allem bei funktionellen Störungen, also Verspannungen, Schwindel oder Druckgefühlen im Brustkorb, die oft fälschlicherweise für Herzschmerzen gehalten werden.

Das „Geschäft mit der Osteopathie“ boomt, berichtet Malus – und das, obwohl die Krankenkasse die Kosten für Behandlungen nicht übernimmt. „Vielen gefällt der ganzheitliche Ansatz und dass man durch die Therapie Medikamente und manchmal sogar Operationen vermeiden kann.“ Aber nicht in jedem Fall kann ein Osteopath helfen. „Wenn es nach einem Bandscheibenvorfall zu Lähmungserscheinungen kommt, muss man sich an einen Arzt wenden. Genauso bei Infektionen, Entzündungen oder Arthrosen.“

Keine Glaubensfrage

Osteopathie: Sanfte Griffe, die heilen können
Mittlerweile wird Osteopathie auch von Ärzten als Form der Komplementärmedizin anerkannt. Das war nicht immer so, berichtet Univ.-Prof. Stefan Nehrer, Vorstand der Gesellschaft für Orthopädie, der seine Patienten zur Diagnosefindung selber manchmal zum Osteopathen schickt. „Am Anfang war Osteopathie eine rein empirische Methode, sehr personenzentriert. Einzelne ‚Gurus‘ haben ihre Ansichten vertreten und niemand wusste, ob das auch stimmt. Heute ist alles wissenschaftlich aufgearbeitet und es gibt Schulen, wo man eine Ausbildung zum Osteopathen machen kann.“ Die Wiener Schule für Osteopathie etwa. Sechseinhalb Jahre dauert es, bis man sich Osteopath nennen darf – vorausgesetzt, man ist Arzt oder Physiotherapeut.

Herta Glatzmayr hat ihren Gang zum Osteopathen nie bereut. Seit sieben Jahren lässt sie sich alle fünf Wochen behandeln. Die geschwollene Backe, die ihr früher zu schaffen machte, ist verschwunden. Und auch der Drehschwindel kam seitdem nicht wieder.

Info:

Seit einem Autounfall in jungen Jahren machen mir Nacken und Schultern immer wieder zu schaffen. So schwer, dass ich es teilweise nicht einmal mehr alleine aus dem Bett schaffe. Die Möglichkeiten der Schulmedizin habe ich über die Jahre vollends ausgekostet: Physiotherapie, Stromtherapie, Ultraschall, Munari-Packungen, Massagen und zahlreiche Spritzen und Schmerzmedikamente. Kurzfristig half es, aber die Schmerzen kamen immer und immer wieder.

Irgendwann beginnt man, über den Tellerrand hinaus nach einer Lösung zu suchen. Über private Empfehlungen landete ich bei einem Osteopathen. Er hat mich eine halbe Stunde lang behandelt – vorwiegend, indem er die Hand an meinen Nacken legte oder mich verdrehte. Das war’s? „Sie sollten heute viel trinken. Und morgen könnten Sie einen leichten Muskelkater spüren.“ So war es auch. Und weg waren die Schmerzen – für die nächsten Jahre. Bei Komplementärmedizin bin ich sonst gerne skeptisch, aber ohne meinen Osteopathen würde ich noch immer unzählige Stunden in Therapiezentren verbringen.

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