Neues Hüftgelenk aus dem Drucker

Künstliches Hüftgelenk: Neue Methode, wenn der Knochen rundherum stark abgebaut ist
Bei lockeren Implantaten durch Knochendefekte kann jetzt die neue Prothese exakt angepasst werden.

Es ist eine Erfolgsgeschichte: "95 bis 98 Prozent der Hüftprothesen halten mindestens 20 Jahre, vielleicht sogar bis zu 30 Jahre", sagt Univ. Prof. Peter Ritschl, ärztlicher Direktor des Orthopädischen Spitals Gersthof in Wien. "Die lange Haltbarkeit und die hohen Ansprüche der Patienten an schmerzfreie Bewegung führen dazu, dass heute auch schon relativ junge Patienten Implantate bekommen – und man nicht mehr zuwartet."

Das bedeutet: Die Zahl der Patienten, bei denen eine Wechseloperation (Revisionsoperation) notwendig ist, steigt. Im besten Fall nach 20 und mehr Jahren, bei manchen aber schon früher: In den 80er- und 90er-Jahren wurden vielfach Pfannen mit Kunststoffteilen (Polyethylen) verwendet. "Gerade bei Polyethylen kommt es zu einem Abrieb, die Partikel reagieren mit dem umliegenden Knochengewebe und aktivieren die Osteoklasten, die knochenabbauenden Zellen. Die Folge: Das Implantat kann sich lockern – und verschieben." Das aber hat Auswirkungen auf die Beinlänge und auf die Muskelspannung – es kommt zu Schmerzen und zunehmenden Gehproblemen.

Bei Patienten, die mindestens alle drei Jahre zur Kontrolle gehen (klinische Untersuchung und Röntgenbild) kann dieser Prozess erkannt werden, noch bevor der Knochenabbau zu weit fortgeschritten ist. Dann wird die alte Prothese durch ein Modell ersetzt, bei dem der Gelenkpfanneneinsatz und Gelenkkopf aus Keramik bestehen. Hier ist der Abrieb deutlich geringer.

Neues Hüftgelenk aus dem Drucker
Interview mit Dr. Peter Ritschl in Wien am 04.11.2015. Seit 2008 ist er 1. Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie.
"Es gibt aber Patienten, die haben bereits ein Riesenloch im Beckenknochen, was die Fixierung der neuen Prothese erschwert." Mit verschiedenen Methoden – etwa einzementierten Stützschalen oder "Defektfüllern" – können diese Löcher ausgefüllt werden: "Aber diese Füller sind sozusagen von der Stange und passen natürlich nie hundertprozentig – nach einigen Jahren kann sich das neu eingesetzte Gelenk ebenfalls lockern." Doch jetzt hält "die 3-D-Computertechnologie auch in der Orthopädie Einzug", betont Ritschl.

Exakt angepasst

Zuerst wird ein spezielles Computertomografie-Bild (CT) des Beckens angefertigt. Die Daten werden nach Belgien geschickt – dort wird ein 3-D-Computermodell des Beckens und des "löchrigen" Hüftknochens erstellt: "Die daran angepasste Form der Gelenkpfanne samt den passgenauen Verankerungen am Rand wird in einem 3-D-Drucker in Kunststoff ausgedruckt. Dieses Modell ist dann die exakte Vorlage, nach der die Metallprothese individuell an die Größe und Form des defekten Knochenbereichs angefertigt wird." Auch die optimale Position für die Schrauben zur Verankerung und ihre Länge ist in dem Modell schon vorgegeben, so Ritschl. Denn mithilfe der CT-Daten kann auch berechnet werden, wo die Knochendichte am stärksten ist.

"Die neue Prothese passt dann wie ein Schlüssel in ein Schloss – sie ist dadurch richtig in der Trageachse des Beins platziert. Sie verzahnt sich rasch mit dem noch verbliebenen Hüftknochen und heilt gut ein." Danach haben beide Beine wieder exakt die gleiche Länge, und auch die richtige Muskelspannung ist wieder hergestellt. Diese Methode komme bei Patienten mit Wechseloperationen zum Einsatz, die große Knochendefekte haben. Beim erstmaligen Einsetzen von Hüftimplantaten reichen hingegen Standardanfertigungen aus.

Auch bei primären Knieprothesen (Erstprothesen) kommt 3-D-Computertechnologie zum Einsatz. Aus MRT-Daten des Gelenks werden Schnittblöcke ausgedruckt und bei der OP auf das Gelenk aufgesetzt. "Sie geben die Schnittführung für die richtige Lage von Schienbein- und Oberschenkelimplantat in der Trageachse des Beines vor – dadurch ersparen wir uns viel Messarbeit."

Durch die steigende Lebenserwartung werden Wechseloperationen häufiger. Ritschl: "Wir werden heuer in Gersthof bereits rund 100 Wechseloperation von Hüft- und an die 70 von Kniegelenken durchführen, einen guten Teil davon mit der neuen Technologie. Wo man früher gesagt hat, da kann man nichts mehr machen, ist jetzt noch sehr viel möglich."

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